Sie gehört zu den am meisten gestellten Fragen an die Redaktion von jagdfakten.at:
Wie verhalte ich mich richtig mit meinem Hund in der Natur?
Und die Antwort darauf ist unheimlich komplex und vielschichtig. Warum? Weil zumindest acht unterschiedliche Gesetze das Verhalten mit Hunden in der Natur regeln. Vom Tierhaltegesetz bis zum AGBG (Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch), vom Jagdgesetz bis zur STVO (Straßenverkehrsordnung). Das ist für HundebesitzerInnen nicht nur verwirrend, sondern kaum zu durchschauen. Jagdfakten.at hat mit dem anerkannten Hundetrainer Alexander Minnich von Hundekompetenz Baden gesprochen und dabei unter anderem folgende Fragen gestellt:
- Wann und wo müssen Hunde an der Leine geführt werden, bzw. einen Maulkorb tragen?
- Wann und wo darf ich meinen Hund freilaufen lassen?
- Gelten in ganz Österreich dieselben Bestimmungen?
- Zu welcher Jahreszeit muss ich mit meinem Hund im Wald besonders vorsichtig sein und warum?
- Kann mein Hund im Wald Tollwut oder andere Krankheiten bekommen, bzw. wie kann ich das verhindern?
INTERVIEW MIT HUNDETRAINER
Alexander Minnich
ALEXANDER MINNICH, Hundetrainer (c) hundekompetenz-baden
jagdfakten.at: Herr Minnich, warum ist es so schwierig herauszufinden wie man sich mit dem Hund in der Natur verhalten darf?
Alexander Minnich: Eine wichtige, aber schwer zu beantwortender Frage. Ich versuche es zweiteilig:
Erstens, weil unsere Hunde von Rasse und Charakter sehr unterschiedlich sind: Es gibt Hunde, die einen Jagdtrieb haben und solche, die dafür kein Interesse aufbringen. Alte und junge, große und kleine Hunde und solche, die auf Grund Ihrer Physiologie, gar nicht in der Lage sind zu jagen.
Zweitens kommt hinzu, dass in Österreich vieles föderal in Landesgesetzen oder sogar regionalen Verordnungen geregelt ist und es daher auch zu Unterschieden kommt, wo man sich geografisch mit seinem Hund gerade befindet.
Alexander Minnich: Hunde sind von Rasse und Charakter sehr unterschiedlich
jagdfakten.at: Wann und wo müssen Hunde an der Leine geführt werden? Bzw. Wann muss ein Hund einen Maulkorb tragen?
Alexander Minnich: Da gibt es wie schon erwähnt regionale Unterschiede. Im Stadtgebiet gilt, Hunde müssen mit Leine oder Maulkorb geführt werden, für Listenhunde und bereits auffällig gewordene Hunde besteht Leinen- UND Maulkorbpflicht.
In manchen Städten, wie zum Beispiel Baden bei Wien, zählen auch Waldbereiche, wie der Fitness Parkour am Rudolfshof oder der weitläufige Kurpark zum Stadtgebiet. Es ist daher zu empfehlen, sich stets vorab bei der Gemeinde zu informieren. Innerhalb von Hundezonen können sich unsere Vierbeiner jedenfalls auch in der Stadt ohne Leine und Maulkorb bewegen.
jagdfakten.at: Wie sieht es mit Waldgebieten, wie zum Beispiel dem Wienerwald, aus?
Alexander Minnich: Außerhalb des Ortsgebiets dürfen Hunde generell ohne Leine und Maulkorb laufen. In Waldgebieten kommt das Jagdgesetz zur Geltung. Dieses besagt zum Beispiel in Niederösterreich, dass Hunde nur dann „frei“ laufen dürfen, wenn sie ständig unter der Kontrolle ihres Halters sind und sich jeder Zeit in Rufweite befinden. Auch dürfen sie nicht „revierend“ oder wildernd umherlaufen.
Unter „revierend“ verstehen Jägerinnen und Jäger bereits Hunde, die mit gesenktem Kopf schnüffelnd umherstreifen, also eine Fährte suchen. Jagdschutzorgane (zum Schutz des Wildes) z.B.: in Niederösterreich sind berechtigt und verpflichtet, mit einigen Ausnahmen, wildernde Hunde, die sich eindeutig dem Einfluss des Halters entzogen haben, zu töten. Auf Forststraßen gilt die STVO (Straßenverkehrsordnung) und daher müssen Hunde dort gesichert (durch Leine oder Maulkorb) geführt werden. Allerdings gilt ein freilaufender Hund, auch mit Maulkorb auf einer Straße im Zweifelsfall als nicht ausreichend gesichert, weshalb eine Leine anzuraten ist.
Auch auf Forststraßen gilt die STVO (Straßenverkehrsordnung)
jagdfakten.at: Gilt das auch für Hunde, die in einer Hundeschule waren und die „auf´s Wort folgen“?
Alexander Minnich: Hier unterscheiden die Gesetze nicht, beziehungsweise setzen sie einen gehorsamen Hund voraus, der sich so führen lässt, dass es zu keinem Fehlverhalten kommt.
jagdfakten.at: Kann man seinem Hund den Jagdtrieb abtrainieren und damit bedenkenlos ohne Leine und Maulkorb durch den Wald gehen?
Alexander Minnich: Es gibt Hunderassen, bei denen der Jagdtrieb bereits herausgezüchtet wurde oder solche die keinen zeigen, wie das zum Beispiel bei Hütehunden oft der Fall ist.
Der Jagdtrieb kann nicht abtrainiert werden – ist er doch zum Teil genetisch veranlagt. Doch durch ein konsequentes Training kann man sehr gut Kontrolle über ihn erlangen. Es gilt aber in jedem Fall seinen Hund zu beobachten und falls er ein Jagdverhalten zeigt, abzurufen und an die Leine zu nehmen. Hier gibt es ja mittlerweile ein reichliches Angebot an langen Flexi- oder Schleppleinen, sodass sich unsere Hunde auch mit Leine gut bewegen können.
Es gibt viele Arten von Leinen, die dem Hund auch mehr Bewegungsfreiraum bieten
jagdfakten.at: Zu welcher Jahreszeit muss ich mit meinem Hund im Wald besonders vorsichtig sein und warum?
Alexander Minnich: Im Mai und Juni. Wir sind mitten in der Setzzeit der Rehe und fast aller anderen Waldbewohner. Die Kernzeit ist von Mitte Mai bis Mitte Juni, also genau jetzt. Verantwortungsvolle HundehalterInnen bewegen sich im Frühjahr mit besonders viel Respekt für die Natur durch den Wald. Wer das nicht tut, darf sich über Konflikte mit Jägern und Förstern nicht wundern.
Gerade für junge Wildtiere können freilaufende Hunde zur Gefahr werden
jagdfakten.at: Warum darf ein Hund nicht abseits der Forst- und Wanderwege laufen?
Alexander Minnich: Viele Waldtiere schützen ihre Jungen im Unterholz, in Hecken abseits der Forstwege und Wanderwege. Verlassen Hunde die gekennzeichneten Wege dringen sie in Naturgebiete vor, die besonders wichtig und schützenswert für unsere Wildtiere und deren Artenvielfalt sind.
jagdfakten.at: Gelten diese Regeln auch für Jagdhunde?
Alexander Minnich: Wenn Jagdhunde nicht gerade bei der Ausübung ihrer Pflicht bzw. im Training sind, dann gelten für sie dieselben Regeln wie für alle anderen Hunde auch.
jagdfakten.at: Wie reagiere ich, wenn mein Hund ein Nest/einen Bau mit Jungtieren entdeckt hat?
Alexander Minnich: Wenn das passiert, gilt es seinen Hund schnell wegzuholen und das Waldgebiet so rasch wie möglich zu verlassen. Ich empfehle HundehalterInnen in so einem Fall auch diesen Waldabschnitt für eine gewisse Zeit nicht mehr zu besuchen.
Und noch eines: Falsch verstandene Tierliebe von uns Menschen ist hier fehl am Platz. Verlassen Sie in dieser Situation wirklich umgehend das Gelände. Das bedeutet, die Jungtiere nicht anschauen, nicht angreifen und auch nicht beobachten. Wir machen in der Regel mehr falsch und kaputt, wenn wir versuchen, Tiere zu retten.
Rehkitze verhalten sich bei Gefahr regungslos – bitte nicht anfassen und rasch das Gebiet wechseln
jagdfakten.at: Was mache ich, wenn mein Hund ein Wildtier reißt?
Alexander Minnich: Dann rufen Sie am besten über die Notrufnummer 133 die Polizei. Diese verständigt dann den zuständigen Jäger. Es nicht zu melden wäre wie Fahrerflucht zu begehen.
jagdfakten.at: Kann mein Hund im Wald Tollwut oder andere Krankheiten bekommen, bzw. wie kann ich das verhindern?
Alexander Minnich: Gegen Tollwut gibt es einen gut wirksamen Impfschutz. Es sind daher auch seit 2008 in Österreich keine Fälle mehr von Tollwut bekannt.
Ein Befall von Flöhen, Zecken und Milben ist jederzeit möglich. Einige davon sind auch auf den Menschen übertragbar, was in der Regel aber nicht gefährlich ist. Im Gegensatz zu viralen Infektionskrankheiten wie der Staupe, die vor allem durch Füchse auf Hunde übertragen werden und auch tödlich sein kann. Diese Viruserkrankung war bereits ausgestorben, tritt nun aber wieder gehäuft auf. Mit einer Impfung können Sie Ihren Vierbeiner jedoch schützen.
jagdfakten.at: Viele der genannten Regeln klingen nicht nur komplex. Wie soll man als Hundebesitzer den Überblick über die Vielzahl an Gesetzen und Regeln behalten?
Alexander Minnich: Es ist kaum möglich sich immer richtig zu verhalten. Zu unterschiedlich ist dabei die eingangs zitierte Gesetzeslage. Ich plädiere daher ganz klar für einen Verhaltens-Codex zwischen Jägern, Förstern und Hundehaltern. Mehr Fair-Play und es kann ein gedeihliches Miteinander aller Waldbenutzer geben.
jagdfakten.at: Welche Punkte umfasst Ihr Verhaltens-Codex?
Vorschlag für einen Verhaltens-Codex von Hundetrainer Alexander Minnich:
1. Wir sind Gäste im Wald.
2. Im Wald leinen wir unsere Hunde aus Rücksicht auf Wildtiere an.
3. Zur Sicherheit aller vermeiden wir Kontakt mit Wildtieren.
4. Wir bewegen uns nur auf gekennzeichneten Wald- und Forstwegen.
5. Wir reden in normaler Gesprächslautstärke.
6. Wir hinterlassen die Natur wie wir sie vorgefunden haben und entfernen Hundekot von den Wald- und Forstwegen.
7. Wir meiden den Wald in Dämmerungszeiten und am Abend.
Diese und viele weitere wertvolle Tipps können Sie bei diversen Veranstaltungen und Hundetrainings erfahren. Nähere Informationen zu den Kursen von Alexander Minnich finden Sie unter https://www.forum-waldegg.at und http://www.hundekompetenz.at
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Was tun, wenn plötzlich ein Wildtier vor mir steht?
Bildquellen für diesen Beitrag: Alexander Minnich, Jagdfakten.at/L. Molter
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