Kaum ein anderes Wildtier lässt zurzeit die Wogen höher schlagen als Canis Lupus – der Wolf. Wobei es besser gefräßiger Wolf heißen sollte, denn ein erwachsener Wolf benötigt bis zu 6 Kg Fleisch am Tag. Und der wilde Vorfahre des besten Freundes des Menschen, lässt sich seinen Speiseplan nicht vorschreiben.

Medienberichten zur Folge wurden bereits bis zum März 2018 über 500 Wolfsrisse in Österreich nachgewiesen. Gefühlt jeden zweiten Tag kommen weitere Berichte wie Kriminalfälle daher. DNA-Analysen, Wildkamera-Sichtungen, Augenzeugen und Wolfsspuren – auch hier halten die 20 bestätigten Wölfe in Österreich so viele Menschen auf Trab, wie kein anderes Wildtier.

Dabei stuft die Weltnaturschutzunion (IUCN) den Wolf nicht als bedrohte Tierart ein. Das einst am weitesten verbreitete Landsäugetier steht nun aber unter strengem Schutz der EU. Eine Tatsache, die viele Akteure auf den Plan ruft. Doch der Reihe nach. Wie kam es zum Schutzstatus?

WOLF
Dem Schutzstatus auf der Spur

Der Schutzstatus der Wölfe in Europa ist in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie verankert. Der Wolf ist europarechtlich streng geschützt. Der Grund für diesen Schutzstatus ist, dass der Wolf in Europa ausgerottet wurde. In ganz Europa? Nein, in Italien, in Spanien, am Balkan, in den Karpaten, im Baltikum, in Skandinavien und in Karelien überlebte und lebte der europäische Wolf weiterhin. Warum hat der Wolf in diesen Regionen überlebt und warum wurde er in Mitteleuropa ausgerottet?

Argumente, Argumente, Argumente
Ein Argument weshalb der Wolf aus Mitteleuropa vertrieben wurde, ist die steigende Bevölkerungsdichte und die Ausweitung der Landwirtschaft um die Vielzahl der Menschen zu ernähren. Große Waldstücke wurden abgeholzt und die Menschen gründeten weitere Siedlungen. Der Lebensraum der Wölfe wurde vom Menschen beansprucht und es kam vermehrt zu Konflikten mit dem Raubtier. Der Wolf stellte nun eine Gefahr für die Landbevölkerung und die Viehzucht dar.

Das die Geschichte von Rotkäppchen weder an den Haaren, noch am roten Käppchen herangezogen ist, belegen sogenannte Matrikenbücher aus dem 17. Jahrhundert. In diesen Büchern wurden Geburts- und Sterbedaten jeder Gemeinde eingetragen. Pfarrer, die besonders gründlich arbeiteten, haben meist auch die Todesursache notiert. Viele Eintragungen aus dieser Zeit sind nicht präzise genug, dennoch finden sich allein in Ober- und Niederösterreich mehr als ein Dutzend klare Eintragungen von tödlichen Wolfsattacken.

„20.6.1653 wurde Magdalena, des Simon Plaimers Weib, 36 Jahre alt, bei Pierbach von einem Wolf zerrissen.“

Die Geschichte von Rotkäppchen ist also keine reine Fantasie, oder sollte junge Mädchen zur Vorsicht mahnen, sondern sie basiert auf klaren Fakten.

Wie schnell uns alte Geschichten einholen, zeigt auch der neuste Vorfall im Juni 2018 in Polen. Ein Wolf attackierte zwei kleine Kinder in einem beliebten Ferienort nahe der slowakischen Grenze. Das kleine Mädchen (8) und der Bub (10) wurden durch das Tier verletzt und mussten im Krankenhaus versorgt werden.

Kurz nach dem Zwischenfall wurde auch bekannt, dass das Tier bereits wenige Tage zuvor eine andere Urlauberin in der gleichen Region angefallen hatte. Der Wolf konnte kurz danach von einem Jäger erlegt werden.

Zeichnung: Rotkäppchen und der Wolf

Hysterie & Angst

Ein großes Argument der Wolfsbefürworter ist die Angstmacherei und Hetze gegen den Wolf, die zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert die Jagd auf den Wolf angefacht hat.  Zur Angst beigetragen haben neben den tatsächlichen Übergriffen auf Frauen und Kinder, vor allem jedoch Aberglaube an Hexen und Werwölfe. Das Malleus maleficarum, der „Hexenhammer“ war ein Buch, dass die Anleitung zu einer Welle von Hexen- und Werwolfprozessen im 16. und 17. Jahrhundert stellte.

Vermutete man damals, dass ein Werwolf sein Unwesen treibe, so erschoss man zugleich auch alle „normalen“ Wölfe in der Umgebung. Eins der schaurigsten Beispiele ist der Fall von Peter Stump aus Bedburg, Deutschland. Stump wurde beschuldigt 16 Menschen in der Gestalt eines Werwolfes getötet und gefressen zu haben. Er gestand die Taten unter Folter und sagte, der Teufel selbst habe ihm einen Gürtel aus Wolfsfell gegeben, womit er sich verwandeln konnte.

Auch die Bestie von Gévaudan in Südfrankreich ist ein berühmter Kriminalfall in dem Wölfe involviert waren. Je nach Quelle soll die Bestie von Gévaudan etwa 80 – 100 Frauen und Kinder getötet haben.

Moderne Untersuchungen legen nahe, dass es sich bei der Bestie von Gévaudan um eine Kreuzung zwischen Wolf und Haushund gehandelt haben soll. Das Biest soll keine Scheu vor Menschen gehabt haben und griff auch am helllichten Tage an. Die Jagd gestaltete sich im unwegsamen Gelände sehr schwierig. Das Töten in Gévaudan hörte erst auf, als der Wolf-Hund-Hybride nach 3 Jahren von einem Jäger erlegt wurde.

Diese beiden Beispiele und zahlreiche weitere Legenden und Sagen erklären ein Stück weit die Angst des Menschen vor dem Wolf. Zum Teil war es irrationale Angst vor einem übernatürlichen Wesen, aber auch berechtigte Angst, hervorgerufen durch belegbare tödliche Wolfsattacken auf Menschen und Nutztiere. Das soll an dieser Stelle keine Rechtfertigung, allerdings eine Erklärung der Ereignisse, die zum Verschwinden des Wolfes aus Mitteleuropa geführt haben, darstellen.

Zurück ins 21. Jahrhundert
Heutzutage beschäftigen wir uns nicht mehr mit Hexen und Werwölfen, außer im Kino und in Büchern. Längst erklärte Hollywood den Wolf bzw. den Werwolf zum Freund des Menschen. Ganze Liebesromanzen drehen sich um „die Liebe zur Natur“. Spätestens mit „Twilight“ sind Werwölfe und Wölfe „sexy“ geworden.

Tierschutz,
du sprichst mit gespaltener Zunge

Ist es wahrhaftige Liebe zur Natur, wenn wir einem Raubtier absoluten Schutz einräumen und zahlreiche andere Tierarten dem freien Spiel der Kräfte aussetzen? Die dummen Mufflon am Truppenübungsplatz in Allensteig, wo sich das erste Wolfsrudel gebildet hat, waren uns scheinbar gänzlich egal.

Noch im Jahr 2015  lebten dort über 500 dieser Wildschafe. Nun, gut zwei Wolfsjahre später, sieht man keines dieser agilen Kletterkünstler mehr. Zu dumm, dass Muffel nicht die Flucht ergreifen, ähnlich wie Esel, die im Übrigen neben Hunden auch zum Herdenschutz verdonnert wurden. Die Esel sollen bei Gefahr Radau machen und so die Herdenschutzhunde alarmieren. Zudem soll der Tritt eines Esels den Schädel eines Wolfes brechen können. Wie gut das funktioniert können wir nahezu täglich in den Tagesmedien lesen.

Während der Wolf in den letzten Jahren zur heiligen Kuh einiger Personen geworden ist, ist eben diese Kuh oder das Schaf, welches vom Wolf noch bei lebendigem Leib gefressen wird, keine Träne wert. Den betroffenen Tierhaltern wird gerade mal der materielle Wert des Tieres in Euro ersetzt. Der emotionalen Belastung und der Angst, dass Wölfe weitere Tiere reißen, wird schlicht eine Worthülse entgegengesetzt: Herdenschutz!

Wölfe sind intelligente und lernfähige Raubtiere. Erst jüngst wurde in der Lüneburger Heide eine ausgewachsene Heidschnucke am helllichten Tage von einem Wolf gerissen. Der Schäfer und drei ausgebildete Hütehunde haben zu dieser Zeit die Herde bewacht. Auch der Nachtpferch des Schäfers hatte bereits ungebetenen Besuch. Wölfe hatten einen 1,20 Meter hohen Wolfszaun, der mit zusätzlichem Flatterband auf 1,50 Meter Höhe gesichert war, überwunden und töteten in einer Nacht 13 Tiere. Weitere 7 Tiere mussten aufgrund starker Verletzungen eingeschläfert werden.

Fakten,
die wenige hören wollen

In den Jahren von 1950 – 2000 wurden 59 Wolfsattacken auf Menschen in Europa registriert. Neun Wolfsangriffe endeten tödlich!

Der letzte Zwischenfall in Europa, in dem angenommen wird, dass Wölfe involviert waren, wurde 2017 in Griechenland bekannt. Eine 62-jährige Touristin verschwand beim Wandern. Schnell fand man die Leiche. Der zuständige Gerichtsmediziner untersuchte die Leiche und legte sich zunächst auf einen Wolfsangriff fest. Es gibt jedoch auch Hinweise, dass verwilderte Hunde für den Tod der Britin verantwortlich sein könnten. Die lokale Bevölkerung klagte mehrfach über Probleme mit streunenden Hunden. Ein abschließender DNA-Bericht steht noch aus.

Das Norwegian Institute for Nature Research (kurz NINA) setzte sich mit dem Verhalten von Wölfen auseinander und veröffentlichte im Januar 2002 einen Report. Im NINA-Report werden 3 Faktoren für einen Wolfsangriff unterschieden:

1. Tollwut:
Im NINA-Report wird ein Angriff von einem tollwütigen Wolf anhand eines Beispiels beschrieben. Am 3. Februar 1973 zwischen 05:00 Uhr morgens und 17:00 Uhr nachmittags durchquert in Indien ein Wolf 6 Dörfer. Er legt insgesamt eine Strecke von 23 Kilometern zurück und greift 12 Menschen, 2 Hausschweine, 3 Rinderbullen und einen Hund an. Die 3 Menschen, die der Wolf in den Kopf bzw. ins Gesicht gebissen hat, wurden mit Tollwut infiziert und starben kurz danach an den Folgen der Krankheit. Die anderen 9 Menschen hatten Glück und überlebten durch Medikamente. Die Tiere hingegen starben alle in Folge des Angriffs und der Infektion.

2. Verteidigung / Neugierde:
Als zweiter Grund wird Verteidigung bzw. Neugierde angeführt. Fühlt der Wolf sich bedroht und in die Ecke gedrängt, beißt er zu – so weit, so logisch. Unter dem harmlos anmutenden Wort Neugierde versteckt sich allerdings ein simpler Grund: Kann ich es fressen? Wölfe „testen“ ob sich Menschen wehren, wie Menschen reagieren, wie sie sich verteidigen.

3. Beute:
Unter Punkt 4.3 des NINA-Reports wird beschrieben, dass Wölfe Menschen sehr wohl als Beute betrachten können. Haben Wölfe herausgefunden, dass Menschen keine Gefahr darstellen, werden sie als Beute betrachtet. Der Angriff zielt auf Nacken und Hals. Die Körper werden meist weggetragen und aufgefressen, sofern die Wölfe dabei nicht gestört werden. Weiters wird im Report festgehalten, dass sich dieses einmal gelernte Verhalten in immer kürzeren räumlichen und zeitlichen Abständen wiederholt.

Gelassenheit
vs. Besonnenheit

Während man in Österreich noch den Ausblick an der Klippe genießt, ist man in Deutschland schon einen Schritt weiter. Wolfsbefürworter möchten zwar nicht kategorisch ausschließen, dass Wölfe in Ausnahmefällen selten auch Menschen gefährlich werden können, mahnen jedoch zur Gelassenheit. Denn anders als in Deutschland leben in Österreich ja gerade mal 2 Rudel und in Summe etwa 20 Tiere.

Vor 10 Jahren gab es übrigens in Deutschland nur ein Rudel, nun leben in der Bundesrepublik etwa 80 Wolfsrudel. Eine genaue Anzahl der einzelnen Tiere findet sich nicht mehr – zu großräumig ist das Einzugsgebiet der Wölfe bereits. Man kann solange gelassen agieren, bis ein Problem entsteht und selbiges einem in den Hintern beißt. Oder man agiert besonnen und schaltet den Verstand ein und erkennt die Problematik:

Mitteleuropa ist heute nicht weniger besiedelt als im 17. Jahrhundert. Wirtschaftsinteressen sind gestiegen und landwirtschaftliche Nutzung haben den Lebensraum der Wildtiere stark reduziert. Neben aller political correctness in dieser Diskussion über Wölfe wäre auch logical correctness wünschenswert, denn Rationalität ist wohl wie die Geschichte vom Rotkäppchen, Schnee von gestern.

UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG

Bildquellen für diesen Beitrag: Pixabay, H. Stock, Bibliothèque nationale de France, Landesmuseum Gotha, Jagdfakten.at

Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt. Der Autor möchte jedoch nicht genannt werden.

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