Jagd und Wissenschaft – eine Symbiose!

Die Jägerinnen und Jäger in Österreich haben bereits in den 70er Jahren den Schulterschluss mit der Wissenschaft gemacht und setzen seitdem stark auf die Zusammenarbeit. Jagdfakten.at hat dem anerkannten Wildbiologen und Professor für Jagdwirtschaft auf der Universität für Bodenkultur in Wien, Univ.Prof. Dipl.-Biol. Dr.rer.nat. Klaus Hackländer folgende Fragen gestellt:

  • Welche Bildungsveranstaltungen gibt es für Jägerinnen und Jäger in Österreich und wer gibt die Themen bzw. Inhalte vor?
  • Sind Jäger Problemverursacher für das Wildtiermanagement oder Alarmmelder?
  • Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen der Jägerschaft und der Wissenschaft?
  • Müssen sich Jäger eigentlich weiterbilden?
  • Gibt es auch eine akademische Ausbildung für Jäger?
  • Was sind die heißen Themen der Zeit für Wild und Natur?
  • Was sind die Herausforderungen der Zukunft?

JAGD & WISSENSCHAFT

Gleich zu Beginn des Gesprächs spricht Klaus Hackländer den österreichischen Jägerinnen und Jägern ein Lob aus. Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft sei sehr gut. Viel besser als zum Beispiel in Deutschland. „Es gibt hier ein hohes Eigeninteresse sich weiterzubilden. Das gilt für ‚einfache‘ Jägerinnen und Jäger ebenso wie für Berufsjäger, Funktionäre, Jagdaufseher und Hegeringleiter. Österreichs Jägerschaft nimmt ihre Verantwortung immer mehr wahr. Die große Mehrheit entspricht schon lange nicht mehr den Klischees!“, erklärt Hackländer einleitend.

Das Klischee vom alten, männlichen Jäger hat schon lange ausgedient. Die Jagd wird jünger und weiblicher!

Welche Bildungsveranstaltungen
gibt es für Jägerinnen und Jäger in Österreich?

Prof. Hackländer: Die Möglichkeit sich als Jägerin, als Jäger weiterzubilden ist hierzulande sehr hoch. Das beginnt bei den Zeitschriften der einzelnen Landesjagdverbände, die immer wieder interessante Inhalte bieten, um sich weiterzubilden.

Das Herzstück sind aber die diversen Veranstaltungen, zB. die Jägertagung in Aigen im Ennstal, die im März 2019 zum 25. Mal stattgefunden hat und durchaus als fachlicher Höhepunkt für Jagdfunktionäre und Praktiker bezeichnet werden kann. Was vor einem viertel Jahrhundert mit gerade einmal 30 Personen begann ist heute mit regelmäßig 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die größte Jägertagung im deutschsprachigen Raum. Die Veranstaltung ist Jahr für Jahr bereits mehrere Monate im Voraus ausgebucht.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Veranstaltungen. Beim Niederwildgipfel in Niederösterreich im Oktober 2019 beschäftigten sich Jäger und Experten mit der Frage wie das Thema Niederwild angangen werden soll: denn diese Tiere (zB.: Feldhase und Rebhuhn) zählen aktuell zu den Verlierern in der Natur, da ihre Lebensräume wie Hecken, aber auch Gräben, Böschungen und Windschutzstreifen immer öfter abgetragen und vernichtet werden.

Feldhase

Der Rückgang des Lebensraums ist ein Hauptproblem für den Feldhasen

Wer nimmt an der jährlichen Jägertagung teil
und wer gibt die Themen, bzw. die genauen Inhalte vor
?

Prof. Hackländer: An der Jägertagung nehmen vor allem die vielen ehrenamtlichen Jägerinnen und Jäger teil, also die Funktionärsebene. Aber natürlich auch die Berufsjäger und sehr viele Interessierte. Die Themen kommen immer aus der Jägerschaft: was sie bewegt, worüber sie mehr wissen wollen. Die genauen Inhalte werden dann von einem 7-köpfigen Expertenkomitee zusammengestellt, dem auch ich angehöre. Wir überlegen uns, wie wir das gewünschte Thema am besten auf- und abarbeiten können.

Sind Jäger Problemverursacher oder
Alarmmelder
für das Wildtiermanagement?

Prof. Hackländer: Aus meiner Sicht ganz klar Zweiteres: Jäger haben ein klares Ziel und das ist ein gesundes Ökosystem – mit ganz viel Wild. Daher sind sie auch sehr sensible Beobachter. Sie sitzen auf ihren Hochständen, gehen aufmerksam durch den Wald und ihr Jagdrevier und erkennen Veränderungen rasch und frühzeitig. Sie sind somit ganz klar Alarmmelder. Ihre Aussagen und Beobachtungen sind Startpunkt so mancher Forschung unseres Hauses.

Jägerinnen und Jäger investieren viel Zeit in die Beobachtung der Wildtiere und deren Lebensräume

Wie eng ist die Zusammenarbeit
zwischen der Jägerschaft und der Wissenschaft?

Prof. Hackländer: Die Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht sehr gut. Österreichs Jäger haben bereits in den 70er Jahren den Schulterschluss mit der Wissenschaft gemacht, weil sie erkannt haben, dass sie so Grundlagen für ihre Entscheidungen bekommen. Seitdem gibt es ein Miteinander auf Augenhöhe.

Die gemeinsamen Themengebiete kommen dabei in der Regel von den Jägern, also bottom-up. Das ist wichtig, weil Verordnungen, Vorgaben von oben würden nicht oder nur schwer angenommen werden. Trotz des guten Austausches gibt es aber keine Gefälligkeiten von unserer Seite. Wir bieten den Jägern immer wieder schwer verdauliche Kost. Die sie in der Regel – manchmal mit etwas Verzögerung – annehmen, weil ihnen die Natur und das Wild wichtig sind.

Müssen sich Jäger eigentlich weiterbilden?

Prof. Hackländer: Jagdaufseher, Hegeringleiter, Berufsjäger, also alle hauptamtlichen Jäger und alle Funktionäre müssen sich, je nach Bundesland, regelmäßig weiterbilden. Auf der Ebene der ‘einfachen’ Jägerinnen und Jäger gibt es momentan nach der Jagdprüfung kaum verpflichtende Weiterbildungen. Was aber nicht heißt, dass sie deswegen nichts tun.

In Niederösterreich zum Beispiel gehört es zum guten Ton einen Schießnachweis zu erwerben bevor man zu einer Gesellschaftsjagd geht. In Kärnten ist dieser jährliche Nachweis mittlerweile sogar verpflichtend. Generell kann man sagen: die Bereitschaft der Jägerschaft sich weiterzubilden nimmt laufend zu.

Eine Übersicht zum Weiterbildungsangebot bietet die Interaktivkarte der „Jagd Österreich“:

Die Interaktivkarte der „Jagd Österreich“ wird laufend ergänzt.

Gibt es eigentlich auch eine
akademische Ausbildung für Jäger?

Prof. Hackländer: Ja, die gibt es mittlerweile. An der Boku (Universität für Bodenkultur in Wien) bilden wir seit rund zehn Jahren 20 akademische Jagdwirte und Jagdwirtinnen pro Jahr aus. Dabei vermitteln wir in vier  Semestern jene Qualifikationen, die für die Jagdwirtschaft und das Wildtiermanagement erforderlich sind.

Der „Universitätslehrgang Jagdwirt/in“ ist ein qualitativ hochstehendes und konkurrenzfähiges Weiterbildungsangebot für Jägerinnen und Jäger. Vermittelt werden nicht nur die unterschiedlichen fachlichen Inhalte der Jagdwirtschaft, sondern vor allem ihre Vernetzung mit nachhaltiger Landnutzung, Ökonomie und vor allem mit der Wildbiologie.

Apropos Vernetzung: Wie läuft Ihrer Meinung nach …

… die Zusammenarbeit zwischen
Jägern sowie Land- und Forstwirtschaft?

 

Prof. Hackländer: Die Zusammenarbeit findet aus meiner Wahrnehmung professionell und verständnisvoll für den jeweils anderen statt. Schließlich haben diese auch gemeinsame Interessen: eine nachhaltige Naturnutzung im Sinne der nächsten Generationen. In eigenen Arbeitsgruppen werden die gemeinsamen Themen und Herausforderungen besprochen, zumeist im Beisein von (politischen) Interessenvertretungen wie dem Bauernbund oder Landwirtschaftskammer.

Was sind derzeit die heißen Themen
für Wild und Natur?

Prof. Hackländer: Definitiv die globale Erwärmung. Die Rückkehr von Tieren, wie zum Beispiel dem Wolf und die Zunahme von Konfliktarten aufgrund von Wildschäden. Vor allem Landwirte fürchten die Übertragung von Krankheiten durch Wildtiere, wie zum Beispiel der Afrikanischen Schweinepest. Eine enge Zusammenarbeit, wie eben beschrieben ist daher besonders wichtig.

Eckdaten zur Afrikanischen Schweinepest, Sicherheitsmaßnahmen Afrikanische Schweinepest Fragen und Antworten, JAGDFAKTEN Österreich

Die Afrikanische Schweinepest beschäftigt weiterhin Jäger, Landwirte und Veterinäre

Was sind Ihrer Meinung nach
die Herausforderungen der Zukunft?

Prof. Hackländer: Dazu möchte ich drei Themen kurz anreißen:

  • Die Öffentlichkeitsarbeit:
    Wir müssen die Leistungen der Jäger noch mehr hervorheben und ihr Tun schützen. Denn der Druck von manchen Gesellschaftsschichten gegenüber der Jagd steigt. Manche Tiere sollen gejagt werden, andere aber nicht. Das kann auch variieren – je nach aktuellen Ereignissen. Das beste Beispiel ist momentan der Umgang mit dem Wolf. Wir müssen jedenfalls gemeinsam Sorge dafür tragen, dass der Jäger nicht zum Erfüllungsgehilfen für die Gesellschaft wird. Ich glaube unsere Jägerinnen und Jäger müssen noch mehr auf Nicht-Jäger zugehen. Erklären was sie tun und warum sie es tun – nämlich um die Natur und ihre Wildtiere zu schützen und zeitgleich regulierend einzugreifen, um die Land- und Forstwirtschaft bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Deswegen bin ich sehr froh, dass die Plattform Jagdfakten.at aktiv diese Informationen anbietet.
  • Umgang mit neuen technischen Möglichkeiten:
    Ich denke dabei vor allem an die Möglichkeiten von Nachtsichtgeräten zum Jagen in der Nacht. Das würde zwar die Sicherheit für Waldbesucher untertags erhöhen, zeitgleich stellt sich aber die Frage, ob das noch weidgerecht wäre. Und das wiederum berechtigt zur Frage: ab wann ist die Jagd (nur noch) Wildtiermanagement? Was wiederum ein sehr komplexes Thema ist.
  • Das Dilemma zwischen Naturentfremdung und Naturnutzung:
    Zum einen stellen wir – gerade im städtischen Bereich – eine Naturentfremdung fest. Zeitgleich aber drängen immer mehr Menschen in die Natur – und zwar auf Arten, die es früher nicht gab. Zum Beispiel mit dem Mountainbike. Ich glaube, dass wir hier für beide Personengruppen Antworten brauchen. Einerseits was für wunderbare Naturerlebnisse da draußen auf uns warten, andererseits aber auch, dass wir als Menschen nur ein Teil dieser Natur sind. Einer Natur, die wir uns mit Tieren und Pflanzen teilen und wir daher sorgsam und bewusst in der Natur auftreten müssen.

Bei all diesen, aber auch vielen offenen Themen tritt die Uni oft als Moderator auf, wenn es darum geht Lösungen für die Herausforderungen, aber auch für gemeinsame Fragestellungen zu finden.

Herr Prof. Hackländer, herzlichen Dank für das Gespräch!

Univ. Prof. Dr. Klaus Hackländer, Jagdfakten.at informiert

Univ.-Prof. Dr. Klaus Hackländer ist Universitätsprofessor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien. Er beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit dem Management von Wildtieren und ist in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien als Experte aktiv, u. a. Vizepräsident der Division Angewandte Wissenschaften im Internationalen Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd CIC, Kuratoriumsmitglied der Deutschen Wildtier Stiftung und wissenschaftlicher Beirat im WWF Österreich. Einen Jagdschein besitzt er nicht.

UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG

Bildquellen für diesen Beitrag: Jagdfakten.at/L. Molter

DIESEN
BEITRAG TEILEN

2022-12-15T17:14:08+01:00
Nach oben