Viele Wildtiere sind vor allem an den Tagesrandzeiten, also in der Dämmerung aktiv. In dieser Zeit folgen sie meist ihren gewohnten Routen zu Äsungsplätzen (Nahrungsplätze) oder legen längere Strecken zwischen Ruheplätzen und Nahrungsplätzen zurück. Dabei nehmen sie instinktiv die kürzesten Wege zum Zielund unterschieden nicht ob sie Straßen oder Feldwege betreten.

Die Landesjagdverbände und Versicherungsexperten mahnen daher vor allem in den Übergangszeiten Frühling und Herbst, bzw. in den späten Abend- und frühen Nachtstunden erhöhte Aufmerksamkeit beim Autofahren ein, da in diesen Zeiten vermehrt Wildunfälle auftreten. jagdfakten.at hat dazu ein Gespräch mit Martin Köhler, Versicherungsexperte der UNIQA Versicherung, geführt. Lesen Sie hier das gesamte Interview:

UNIQA Expertentipp:
Wildunfall vermeiden

jagdfakten.at: Wann passieren Ihrer Erfahrung nach die meisten Wildunfälle auf Österreichs Straßen?

Martin Köhler: Definitiv in den Tagesrandzeiten, aber vor allem in den späten Abend- und frühen Nachtstunden und das ganzjährig, besonders aber in den Übergangszeiten Frühling und Herbst. Eine Faustregel besagt: Je weniger Verkehr, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf ein Wildtier zu treffen. Daher muss auch mitten in der Nacht mit Wildwechsel gerechnet werden.

Wildunfall vermeiden: Jagd Österreich informiert

Haben Sie den Igel sofort gesehen?

jagdfakten.at: Wann sprechen wir eigentlich von einem Wildunfall?

Martin Köhler: Als Wildunfall im Straßenverkehr werden Unfälle mit Tieren gewertet, die bejagt werden dürfen. Also zum Beispiel Reh, Hirsch oder Wildschweine, aber auch Niederwild wie Fuchs oder Fasan. In den Statistiken zu den Wildunfällen nicht eingerechnet wird das Überfahren von Haus- oder Nutztieren wie Hühner, Katzen, Igel oder eben auch Kühe oder Schafe.

jagdfakten.at: Was ist der wichtigste Tipp für die Vermeidung von Wildunfällen im Straßenverkehr? Gibt es ein Patentrezept?

Martin Köhler: Auch wenn es banal klingt. Am effektivsten ist es tatsächlich die Verkehrsschilder zu beachten. Die stehen nicht zum Spaß am Straßenrand. Wer seine Geschwindigkeit anpasst leistet den wichtigsten und effizientesten Beitrag zur Unfallvermeidung. Wir wissen, dass dadurch tatsächlich viele Unfälle verhindert werden können.

jagdfakten.at: Worauf soll man genau achten, wenn man das Hinweisschild „Achtung Wildwechsel“ sieht?

Martin Köhler: Wir sprechen in der Regel von folgenden 8 Punkten:

1. Tempo reduzieren

2. Fahrbahnrand besonders beobachten – auch in Wien, zum Beispiel auf der Höhenstraße

3. Bremsbreit fahren

4. Besondere Aufmerksamkeit in der Dämmerung, im Wald und bei weitläufigen Feldern

5. Sicherheitsabstand zum vorderen Fahrzeug

6. Ein Wildtier kommt selten allein – auf nachfolgende Tiere achten

7. Lenkrad nicht verreißen und bei Vollbremsung festhalten

8. Wildtiere können von beiden Seiten kommen – 80 Prozent der Autolenker „scannen“ vorrangig nur den rechten Straßenrand

jagdfakten.at: Eine Frage zum Licht: warum bleiben Wildtiere eigentlich stehen und starren nur auf das Licht von herannahenden Fahrzeugen?

Martin Köhler: Weil sei geblendet sind, nichts sehen und daher wie erstarrt stehen bleiben. Wenn Sie also ein Wildtier wahrnehmen unbedingt abblenden, Tempo weiter reduzieren und zusätzlich hupen.

jagdfakten.at: Wenn nun doch was passiert und es zum Zusammenstoß mit einem Wildtier kommt, wie muss man vorgehen?

Martin Köhler: Bei einem Wildunfall gehen Sie am besten wie folgt vor:

1. Unfallort absichern und Polizei rufen

2. Wenn sie den Jäger kennen, dann auch diesen informieren. Kennen Sie ihn nicht, dann kümmert sich die Polizei darum.

3. Wild NIEMALS einladen. Auch nicht, wenn Sie es gut meinen und es zum nächsten Tierarzt bringen wollen. Das Einladen wäre rechtlich gesehen ein Wilddiebstahl und somit eine Straftat.

4. Weil wir immer wieder gefragt werden: auch wenn das Tier noch leben sollte, dürfen auch Personen, die selbst Jäger sind das Tier nicht erlösen. Das darf nur der für das Gebiet zuständige Jäger.

5. Sollte ihr Auto durch den Unfall nicht mehr fahrbereit sein, kümmern Sie sich um die Assistenzleistungen. Entweder durch ihre Versicherung, ÖAMTC, ARBÖ oder ihre Kfz Werkstätte.

6. Einen allfälligen Schaden am Auto ihrem KFZ-Versicherer melden, wenn Sie eine Kasko Versicherung haben.

Zusatztipp: Greifen Sie verunfalltes Wild niemals an. Neben zusätzlichen Stress für die Tiere und der Gefahr gebissen zu werden, können auch Krankheitserreger übertragen werden. (Foto: Dieter Nagel für Jagdfakten.at)

jagdfakten.at: Ist ein Fahrzeug eigentlich automatisch gegen Wildschäden versichert?

Martin Köhler: Nein, ein Fahrzeug ist nicht automatisch gegen einen Wildschaden versichert. In der Regel ist das eine Zusatzleistung. Wildunfälle sind zumeist nur bei Kaskoversicherungen (Teil- oder Vollkasko) inkludiert, bei der klassischen Haftpflichtversicherung hingegen nicht. Was aber auch bei einer normalen Haftpflichtversicherung inkludiert ist, sind Leistungen Dritten gegenüber. Sollten also Jagdeigner, oder Tierbesitzer von Haus- oder Nutztieren Schadensersatz anmelden, könnte das durch die Haftpflichtversicherung abgedeckt sein.

jagdfakten.at: Warum sprechen Sie hier im Konjunktiv? Fällt das nicht automatisch in die Haftpflicht?

Martin Köhler: Nicht zwingend. Wenn sich der Lenker nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält kann es sein, dass er am Ende des Tages den Schaden selbst begleichen muss. Daher noch einmal der Hinweis: die Verkehrsschilder zu beachten. Die stehen nicht zum Spaß am Straßenrand.

jagdfakten.at: Welchen Nutzen haben ihrer Erfahrung nach die unterschiedlichen Warnsysteme zur Vermeidung von Wildtierunfällen, wie zum Beispiel Reflektoren?

Martin Köhler: Alles was auch nur einen einzigen Unfall verhindert, ist es wert montiert zu werden. Das gilt für Reflektoren wie Discs genauso wie für technische Geräte. Wir wissen, dass die Jägerschaft hier sehr eng mit diversen Forschungseinrichtungen – wie zum Beispiel der Boku – und öffentlichen Stellen und Autofahrerklubs zusammenarbeitet, um einerseits die Sicherheit der Wildtiere und andererseits die Sicherheit von Fahrzeuglenkern laufend zu erhöhen.

Aber eines dürfen wir trotz der ganzen Sicherheitsthematik und vielleicht möglichen technischen Hilfsmitteln niemals vergessen: Wir – die Menschen – sind es die in den Lebensraum der Wildtiere eingedrungen sind und wir tun das laufend und immer mehr. Wir nutzen den Wald in unserer Freizeit – als Jogger, mit dem Rad oder einfach für einen Spaziergang mit dem Hund. Die Wildtiere versuchen daher Begegnungen zu vermeiden und ändern ihr Mobilitätsverhalten. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.

jagdfakten.at: Herr Köhler, herzlichen Dank für das Interview!

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Bildquellen für diesen Beitrag:

Dieter Nagl

Pixabay

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