„Tracht ist ein Synonym für Weltoffenheit“

Das Comeback der Tracht ist vor allem mit einem Namen verbunden – Lena Hoschek. Die gebürtige Grazerin hat von Beginn ihrer Karriere an einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass die Tracht heute wieder in Mode ist – und das nicht nur am Land und bei älteren Menschen.

TRACHT

Interview mit Lena Hoschek

Im Interview erklärt die 42-Jährige, die 2021 in Kooperation mit dem bayrischen Traditionsbetrieb von Markus Meindl die offizielle österreichische Jägerinnenjacke entworfen hat, ihre Beweggründe und verrät, wie man Tracht richtig trägt und welchem gekrönten Haupt sie gerne eine verpassen würde:

Was war Ihr Ansatz, die Tracht wieder salonfähig machen zu wollen?
LENA HOSCHEK: Anders als Gleichaltrige wollte ich schon mit 13, 14 Jahren mein eigenes Dirndl haben. Das war untypisch, noch mehr in der Stadt als am Land, weil es in dieser Zeit, also in den 1990er-Jahren, noch sehr stark stigmatisiert war. Ich habe immer gefunden, dass ein Kleidungsstück nichts dafür kann. Mit 14 Jahren hab’ ich dann mein erstes Dirndl gemacht, weil ich als Lose-Verkäuferin zum SOS-Ball sollte. Und da war Abendrobe oder Tracht als Dresscode angegeben. Die Entscheidung war nicht schwer.

Warum hat die Tracht überhaupt so ein verstaubtes Image bekommen?

LENA HOSCHEK: Weil sie zu einem politischen Instrument gemacht wurde. Und das kann man nur entkräften, indem man die Tracht salonfähig macht. Das war auch meine Herangehensweise. Werte wie Heimat oder Heimatstolz – die dürfen nicht politisch sein. Jede:r darf und sollte ein Recht darauf haben, stolz auf seine bzw. ihre Herkunft und seine bzw. ihre Tracht zu sein. Tracht ist ein Synonym für Weltoffenheit. Sie dient nicht nur zur Unterscheidung von diversen Regionen, man sieht anhand der Trachten der verschiedenen Länder auch, dass sie verbindet.

Tracht ist
nicht gleich Tracht

In den Augen einer Fachfrau: Woran erkenne ich den Unterschied zwischen einer wertvollen und einer weniger wertvollen Tracht?
LENA HOSCHEK: Zum einen sieht man das an der Verarbeitung, bei uns gibt es zum Beispiel kein Dirndl, das nicht nach Muster gezogen ist. Und dann natürlich am Material. Bei Polyester- oder Organzablusen beispielsweise, vielleicht auch noch in Farbe, setzt es bei mir aus.

Da sind wir schon bei den No-Gos.
LENA HOSCHEK: Davon gibt es einige. Grundsätzlich würde ich alles, was ins Groteske geht, vermeiden. Sprich: Kreisröcke, nein, ein absolutes No-Go sind für mich auch diese Partyhütchen oder Dirndl mit Reißverschlüssen. Für mich sollte auch die Bluse weiß sein und das Dirndl knalleng. Ich sehe oft Frauen in Dirndln, die um zwei Nummern zu groß sind – aber du kannst dein Dekolleté in keinem Kleid so stilvoll präsentieren wie in einem Dirndl. Hier wird akzeptiert, was bei anderen Kleidern oft als vulgär angesehen wird. Und das ist auch gut so.

Und wie stehen Sie zu Lederhosen bei Frauen?
LENA HOSCHEK: Sagen wir so: Das kann süß aussehen, manchmal aber auch ganz seltsam. Ich sage nur: Das kann sich nicht jede Frau leisten. Aber mehr auch schon nicht, sonst sind wir wieder bei der Radlerhosen-Debatte.

Auch wenn das nicht Ihr unbedingtes Metier ist – was können denn Männer bei Lederhosen falsch machen?
LENA HOSCHEK: Für mich sind Männer in Tracht ein richtiges Aphrodisiakum. Wenn sie halt richtig getragen wird. Oft ist es besser, mit einem längeren Hemd den Hintern ein wenig auszustopfen und doppelte Stutzen zu tragen. Hier gilt auch das, was bei Frauen im Dirndl gilt – Tracht verzeiht viel. Und man darf ruhig ein bisschen schummeln. Männer sollten bei Lederhosen auch darauf achten, dass sie nicht zu „frisch“ aussehen – besser, man schmiert so viel Dreck wie möglich rein, das hilft der Optik. Und bitte keine Rocker-T-Shirts mit Ausschnitt und irgendwelche Armbänder dazu.

Aber im Prinzip heißt das, dass jeder und jede Tracht tragen kann – auch zu jedem Anlass?
LENA HOSCHEK: Wenn der Rahmen passt, dann ja. Wobei man die Tracht natürlich je nach Anlass anders kombiniert. Auf einem Kirtag, einem Feuerwehrfest kann es schon einmal ein Dirndl mit Wanderschuhen sein und einem kleinen Rucksack oder einer Korbtasche. Auf Veranstaltungen wie dem Jägerball greife ich zu Absätzen und einer Clutch. Natürlich müssen im Winter auch Strümpfe in 15–20 den sein – dann aber eher in Schwarz oder Braun, weil Hautfarben oft daneben gehen kann, wenn man nicht den perfekten Hautton trifft. Ich kombiniere manchmal auch mit Netzstrümpfen.

Wie viele Dirndl hängen in Ihrem Kleiderschrank?
LENA HOSCHEK: Ich schätze, es sind 40 bis 50. Aber bunt gemischt. Fünf, sechs sind noch von meiner Oma, ich habe auch bei Humana und der Caritas welche gekauft, weil es da immer wieder Modelle aus den 1930er- und 1940er-Jahren gibt. Auch ein altes Bürgerkleid in Altrosa ist dabei. Und viele davon hab’ ich nicht einmal getragen, aber ich wollte sie trotzdem. Dazu kommen pro Saison noch ein bis zwei Dirndln aus meiner aktuellen Kollektion.

Letzte Frage: Wen würden Sie gerne einmal in Tracht sehen bzw. zur Tracht bekehren?
LENA HOSCHEK: König Charles! Er ist Jäger, hat die richtige Statur – ich glaube, ihm würde Tracht sehr gut stehen.

www.lenahoschek.com

Bildquellen für diesen Beitrag:
© Lena Hoschek | © Aida Dapo | © Susanne Hassler

Autorin für diesen Beitrag:
U. Macher / Jagdfakten.at