Horn schnitzen: Die faszinierenden Kreationen des Knochenkünstlers

Gerhard Götzendorfer ist Österreichs einziger hauptberuflicher Hornschnitzer. In seiner kleinen Werkstatt im oberösterreichischen Oberweis schnitzt der 57-Jährige allerlei aus Wildgehörn: Knöpfe, Messergriffe, Ringe, Trachtenschmuck – und überhaupt alles, was an Auftragsarbeiten so anfällt. Aber wie genau funktioniert die Hirschhornschnitzerei? Was macht er dabei genau? Warum eignet sich nicht jedes Wildgeweih fürs seine Kunstwerke? Und warum hält er seine Werkzeuge so geheim? Sie erfahren es in diesem Beitrag:

 

HORN SCHNITZEN

Traditionelles Kunsthandwerk

Einmal im Jahr ist der Hirsch oben ohne. Das heißt, er steht plötzlich ohne sein prächtiges Geweih da. Grund dafür ist der sogenannte „Geweihabwurf“. Der findet immer im Spätwinter statt, also meist im Februar oder Anfang März. Ausschlaggebend dafür ist der Tiefstand des Sexualhormons Testosteron. Der bewirkt, dass die Knochensubstanz des Hirsches zerstört wird – und das Geweih plötzlich von alleine abfällt.

„Der Zufall will es, dass die Hirsche ihr Geweih oft während der Fütterung verlieren“, erklärt Gerhard Götzendorfer. Diese findet meist in Futterkrippen statt, die von JägerInnen betreut werden. Warum im Winter gefüttert wird? Weil die natürlichen Winterlebensräume des Wildes in den besiedelten Tieflagen vom Menschen beansprucht werden und zugleich Wintersportaktivitäten zusätzliche Beunruhigung bringen und damit dem Wild mehr Energie abverlangen. Energie, die sich das Wild aus der Umgebung, von den Bäumen zum Überleben holen muss. „Dadurch, dass die Hirsche oft nicht weit von der Futterkrippe entfernt ihr Geweih verlieren, ist es für die JägerInnen ein Leichtes, die Geweihe zu sammeln. Ich kaufe sie ihnen dann ab.“

Feinste
Knochenminiaturen

Theoretisch kann man mit jedem Gehörn schnitzen. Und auch Götzendorfer schnitzt regelmäßig mit Reh, Steinbock oder Gams. „Aber am allerliebsten ist mir der Rothirsch“, sagt er. Warum? „Weil die Knochendichte seines Geweihs schlichtweg hervorragend ist. Diese Dichte ist im besten Fall mit der von Elfenbein vergleichbar. Und je dichter ein Knochen ist, desto besser lässt er sich schnitzen, weil ich dadurch unglaublich fein ins Detail gehen kann.“

Kunsthandwerk Hornschnitzen
an Feinheit nicht zu überbieten

Tatsächlich sind manche von Götzendorfers Kunstwerken an Feinheit nicht zu überbieten. Wie zum Beispiel der „Rosenstockknopf“ (siehe Abbildung oben), der so heißt, weil es sich dabei um einen geschnitzten Rosenstock handelt, dem Ansatz des Hirschgeweihs also: Auf fünf Zentimetern ist da linkerhand ein Jäger mit Gewehr zu sehen, in der Mitte ein Baum, rechts ein Strauch, und am Rand schließlich ein Hirsch mit prächtigem Geweih. Ja, selbst ein drei bis vier Millimeter kleines Jagdhündchen zu Füßen des Jägers bringt Götzendorfer in diesem Rosenstockknopf unter.

Und was ist mit dem Steinbock? „Der wirft nicht ab“, erklärt der Schnitzer, „dadurch bilden sich in seinem Horn Wachstumsfasern, wie bei einem Baumstamm. Das heißt, ich kann halt nicht so ins Detail gehen.“

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Worauf kommt es
beim Schnitzen an?

Wie geht der Knochenkünstler beim Schnitzen genau vor? Von jedem Geweih werden lediglich die äußeren vier Millimeter verarbeitet. Der Rest des Knocheninneren ist nicht dicht genug und daher für den Schnitzer nicht nutzbar. Viel über seine Techniken verraten will Götzendorfer nicht. Zu groß ist seine Angst, jemand könnte das, was er sich über drei Jahrzehnte hart erarbeitet hat, ungefragt übernehmen und als Hobbyschnitzer günstiger anbieten. „Außerdem“, sagt er, „sind meine Werkzeuge alle selbstgemacht. Ich wüsste nicht einmal, wie die genau heißen.“ Ganz kleine, feine, aber scharfschneidende Eisendinger sind das, auf die Götzendorfer kurz einen Blick werfen lässt.

Das einzige Werkzeug, aus dem der Hornschnitzer kein Geheimnis macht, ist seine Laubsäge. „Das ist ja auch das, was die oberösterreichische Hornschnitzerei von allen anderen weltweit unterscheidet“, sagt er. „Die Schnitzereien werden mit der Laubsäge ausgeschnitten und nicht, wie sonst überall, gefräst.“

Und wie sieht es innerhalb Österreichs aus? Inwiefern unterscheiden sich die oberösterreichischen Hornschnitztechniken von denen in, sagen wir, Niederösterreich? „Das weiß heutzutage, glaube ich, niemand mehr“, sagt Götzendorfer. „Ich bin ja der Letzte, der das noch hauptberuflich in Österreich macht. Damit droht diese Tradition bald verloren zu gehen. Außer, es kommen bald Junge nach.“

Jagdfakten.at bedankt sich für das Gespräch bei Gerhard Götzendorfer.

UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG

Bildquellen für diesen Beitrag: Gerhard Götzendorfer, Jagdfakten.at

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