Jagd im Winter - Jagdaufseher gibt Einblicke: Jagdfakten.at informiert

Jagd im Winter: Vom Wildhüter zum Rehretter

Gerade im Winter, wenn in den Wäldern Ruhe einkehrt und Schnee und Eis die Futtersuche erschweren, rückt die Hege der Jäger in den Vordergrund. Dann sind sie es, die helfen, das Wild durch die kalte Jahreszeit zu bringen und das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wiederherzustellen. Jagdaufseher Clemens Ruetz erklärt, warum Routine für Rotwild so wichtig ist und warum wir im Wald nicht leise sein sollten.

JAGD IM WINTER

Clemens Ruetz bei Rehwildbergung Zirmbachalm 2020
Clemens Ruetz mit gerettetem Rehkitz

Der Tiroler Jagdaufseher Clemens Ruetz ist es gewohnt, Wildtiere zu retten. Ab und zu kommt es auch vor, dass er Rehkitze oder Hirschkälber, deren Mütter überfahren wurden, großzieht. Die aufwendige Rettungsaktion, die er vor drei Jahren gemeinsam mit seinem Bruder, dem Skibergsteiger Lukas Ruetz, und anderen Helfern startete, wird er dennoch nicht so schnell vergessen.

Damals hatte es in Teilen Tirols innerhalb von 36 Stunden so viel geschneit wie zuletzt vor mehr als hundert Jahren. Selbst den Brüdern reichte der Schnee bis über die Hüften, als sie sich auf den Weg machten, um sechs völlig erschöpfte Rehe, darunter auch Rehkitze, aus den Schneemassen zu befreien. Die Fotos, die Clemens Ruetz mit einem Kitz auf den Schultern und Tourenskiern an den Füßen zeigten, gingen in diesem Winter durch die sozialen Netzwerke, die Geschichte wurde tausendfach geteilt.

„Wir haben damals sehr viel positives Feedback bekommen, und ich glaube, dass es auch für das Image der Jägerschaft gut war, weil es die Hege wieder mehr in den Vordergrund gerückt hat. Es hat den Menschen bewusst gemacht, dass sie genauso zur Jagd gehört wie das Jagen“, erinnert sich Clemens Ruetz. Mit Hege sind sämtliche Maßnahmen gemeint, die die Lebensgrundlage des Wildes pflegen und sichern, wie etwa die artgerechte Fütterung im Winter.

Vermittler zwischen Mensch und Natur

Doch warum muss man manche Wildtiere überhaupt füttern? Würden sie ohne den Menschen verhungern? „Das kommt drauf an“, sagt Clemens Ruetz, der hauptberuflich eigentlich Gastronom und Landwirt ist und im Nebenberuf passionierter Jagdaufseher. „Wenn wir dem Wild den Platz geben würden, den es bräuchte, und es seine Überwinterungsstandorte frei wählen könnte, dann würde es schon selbstständig überleben.“

Dies sei mittlerweile aber oft nicht möglich, weil der Mensch immer weiter in den Lebensraum der Wildtiere vordringt, Häuser und Siedlungen baut oder diesen für Freizeitaktivitäten wie Skitouren, Langlaufen oder Schneeschuhwanderungen nutzt. Zwar reduzieren Rehe und Hirsche im Winter ihren Stoffwechsel und ihre Körpertemperatur und verkleinern sogar ihre Verdauungsorgane, Hunger verspüren sie trotzdem. Wildtierfütterungen seien daher eine Art Wiedergutmachung und gleichzeitig eine Lenkung, um die Tiere dort zu halten, wo der Mensch sie haben möchte und wo sie keine Schäden an Bäumen oder Feldern anrichten können.

Wildtier Hege im Winter: Jagdfakten.at informiert
Spießer bei Fütterung im Winter: Jagdfakten.at informiert

Same procedure as every day

 

Die ersten Rehwildfütterungen übernahm der junge Tiroler bereits im Alter von sieben oder acht Jahren. Und das, obwohl es in seiner Familie vor ihm keine Jäger gab. „Wir haben in St. Sigmund im Sellrain ein Wirtshaus, und der damalige Jagdaufseher ist oft bei uns eingekehrt. So bin ich da hineingewachsen, und je älter ich wurde, desto mehr konnte ich helfen.“ Seit mittlerweile zehn Jahren betreut Clemens Ruetz ein 1.400 Hektar großes Revier in 1.400 bis 3.008 Metern Höhe. 80 Stück Rotwild und 70 bis 80 Stück Rehwild leben dort. Über den ganzen Winter verteilt bekommen sie zwischen 60 und 70 Tonnen Futter.

Morgens klingelt Clemens Ruetz’ Wecker bereits um 5:30 Uhr. Zwei Rotwildfütterungen bringt er am Vormittag zwischen Stallarbeit und Gastronomie unter. Und das sieben Tage die Woche. Ausfallen geht nicht, denn Rotwild hat ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit. „Das beginnt schon mit der Jagd unter dem Jahr. Da versucht man, defensiv zu jagen und so wenig Jagddruck wie möglich zu verursachen.“ Beim Füttern sei es hingegen wichtig, dass dieselbe Person jeden Tag zur selben Zeit das Futter bringt. „Solange der Ablauf gleichbleibt, kann das Rotwild sich darauf einstellen, fühlt sich dementsprechend sicher und nimmt die Fütterungen gut an“, erklärt Clemens Ruetz.

Rehe hingegen seien weniger anspruchsvoll und würden sich recht schnell an den Menschen gewöhnen, wenn es nötig ist. Sie füttert der junge Jagdaufseher am Nachmittag, nachdem er sich in der Küche seines Gastronomiebetriebs um die menschliche Verpflegung gekümmert hat. Rund eineinhalb Stunden nimmt er sich für die Rehwildfütterung Zeit. Das Heu reicht meist für zwei bis drei Tage. Für die anderen beiden Fütterungen sind ein rüstiger, naturverbundener Pensionist und ein Jungjäger zuständig. Alle sieben bis zehn Tage findet außerdem die Freifütterung in Hochlagen statt. Der Anstieg mit Tourenskiern dauert zwei Stunden, nach vier bis fünf Stunden ist Clemens Ruetz wieder im Tal, wo er ab 17:00 Uhr im Gastronomiebetrieb arbeitet.

Plaudern statt flüstern 

Im Winter könne es durchaus ungemütlich werden, gibt der Jagdaufseher zu, „vor allem wenn mehrere Dinge zusammenkommen: viel Arbeit im Betrieb, extreme Witterung und ein Tag, der einfach zu wenige Stunden hat.“ Meistens genieße er diese Jahreszeit aber wegen der besonderen Stimmung und der Ruhe. „Dann ist die Arbeit im Wald ein schöner Ausgleich zur Hektik in der Küche und im Betrieb und natürlich ein direkter Weg in und zur Natur und unseren edlen Wildtieren.“

Auch Skitourengeherinnen oder Schneeschuhwanderer zieht es in den Wald, speziell in Touristenregionen wie dem Sellraintal. Zum Problem wird es aber, wenn diese die Wildruhezonen nicht beachten und das Wild deswegen nicht mehr zu den Einständen kommt, sondern stattdessen Bäume anknabbert. Doch wie verhält man sich im Wald am besten?

„Erstens ist wichtig, dass man die markierten Wege und Steige nicht verlässt. Hier sind Rehe Menschen gewohnt und können damit umgehen. Und zweitens soll man sich nicht, wie viele annehmen, ganz leise verhalten“, erklärt Clemens Ruetz. Besser sei es sogar, ein bisschen lauter zu sein und sich miteinander zu unterhalten, damit das Wild sich frühzeitig darauf vorbereiten und ausweichen kann. Überrascht man es hingegen und es muss flüchten, werden die ohnehin schon knappen Fettreserven angegriffen. Außerdem wird es den Ort längere Zeit meiden, weil es ihn nicht mehr als sicher erachtet. Eine ungestörte Winterruhe ist daher entscheidend für das Überleben von Rehwild.

Apropos Überleben:

Den Rehen, die Clemens und Lukas Ruetz im Dezember 2020 aus dem Tiefschnee gerettet haben, geht es gut. Sie wurden markiert, daher kann man zum Teil immer noch nachverfolgen, zu welchen Einständen sie kommen und wie sie sich entwickeln. „Von einer Geiß, sie war damals noch ein Kitz, haben wir relativ viel Bildmaterial. Sie hat mittlerweile gesetzt und gesunde Rehkitze zur Welt gebracht.“ Welch schöne Nachrichten!

UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG

Bildquellen für diesen Beitrag: © Clemens & Lukas Ruetz
Autor für diesen Beitrag: K. Kopacka / Jagdfakten.at

DIESEN
BEITRAG TEILEN