Heimische Vögel und der Lebens(t)raum Wald
Allein in Österreich leben 57 der rund 235 Brutvögel im Wald – Tendenz steigend. Auch deshalb, weil sie sich mit dem zunehmenden Wald in höhere Gefilde ausbreiten können und ein einfacheres Leben haben als in den intensiv bewirtschafteten, offenen Kulturlandschaften. Warum das so ist und welche Vogelarten man hierzulande am öftesten sieht, hat uns Dr. Remo Probst von BirdLife Austria verraten.
HEIMISCHE VÖGL
Im Lebensraum Wald
Die Frage, wann ein Waldvogel ein Waldvogel ist, kann so leicht nicht beantwortet werden. Prinzipiell gilt er als solcher, wenn er zumindest einen wichtigen Teil seines Lebens im Wald verbringt; im Normalfall ist das die Brut. „Der Lebensraum eines Vogels“, erklärt Dr. Remo Probst, Projektleiter von BirdLife Österreich und Experte in Sachen Zug- und Ernährungsbiologie, „muss vielfältige Dinge bieten, vor allem aber Nahrung und Brutplätze.“
Jeder Vogel hat eigene Bedürfnisse
All das finden einige Vogelarten gewöhnlich im Wald. Vom Jungwuchs mit wenig Nahrungsperspektiven bis hin zum urwaldähnlichen Mischwald mit viel Totholz und einem reichen Höhlenangebot ist hier für jeden Geschmack etwas dabei. „Während ein Buchfink mit fast allen Gegebenheiten zurechtkommt, solange es Bäume gibt“, so Probst, „fühlt sich ein Weißrückenspecht fast ausschließlich im morschen Buchenholz wohl.“ Auch die Hauben-, Sumpf- und Weidenmeise ist beim Wohnungsbau auf morsches Holz angewiesen und „zimmert sich ihr Zuhause, die Bruthöhle, oft selbst“.
Den Lebensraum
für Vögel erhalten
Grundsätzlich gilt: Je vielfältiger der Wald ist, desto besser werden äußere Einflüsse abgepuffert – nicht nur in Sachen Klima. Aus diesem Grund gibt es auch zahlreiche Initiativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Lebensraum Wald für Vögel zu schützen – eine besonders wertvolle ist freilich die Kooperation zwischen BirdLife Österreich und den Österreichischen Bundesforsten:
So wurden in den vergangenen Jahren knapp fünfhundert sogenannte Altholzinseln oder Biodiversitätsinseln eingerichtet. Dadurch wird gewährleistet, dass gefährdeten und anspruchsvollen Arten wie dem Halsbandschnäpper, dem Mittelspecht oder dem Auerhuhn zahlreiche Trittsteinbiotope und wertvolle Lebensraumrequisiten zur Verfügung stehen. Diese Inseln sind nicht nur in puncto Brut wichtig, sondern auch zur Nahrungsaufnahme, immerhin finden sich hier Spinnen, Insekten, Pilze und Co. Probst: „Uns ist vor allem wichtig, dass die Biodiversität gewährleistet bleibt.“
Totholz als unumstrittener Partner
Ein besonderer Stellenwert in Waldökosystemen kommt dem Totholz zu. Zum einen aufgrund der vorhandenen Insektenlarven, die als Nahrung dienen, zum anderen ist es für Vögel einfacher, im Totholz Höhlen zu zimmern. Probst: „Viele Vogelarten sind klein und schwach, sie können ihre Höhlen in keinen lebenden Baum zimmern.“ Aber auch unter Vögeln gibt es diesbezüglich eine Art Teamwork. „Viele Vogelarten sind Nachnutzer der von Spechten gezimmerten Höhlen, beispielsweise der Sperlingskauz oder der Raufußkauz.“
Welche Vögel findet man am öftesten in Österreichs Wäldern?
Was sind ihre Erkennungsmerkmale und wo kommen sie vor? Wir haben für Sie die Top Ten zusammengestellt (Quelle BirdLife Österreich, www.birdlife.at):
1. Buchfink (Fringilla coelebs)
2. Rotkehlchen (Erithacus rubecula)
3. Waldbaumläufer (Certhia familiaris)
4. Haubenmeise (Lophophanes cristatus)
5. Blaumeise (Cyanistes caeruleus)
6. Schwarzspecht (Dryocopus martius)
7. Waldkauz (Strix aluco)
8. Haselhuhn (Bonasa bonasia)
9. Sperber (Accipiter nisus)
10. Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis)
1. Buchfink
Der Buchfink ist der König unter den heimischen Brutvögeln. Als Teilzieher wandert der Großteil im Winter nach Südwesteuropa, lediglich ein paar wenige Männchen bleiben im Winter in Österreich. Auch deshalb, um im nächsten Frühling einen Startvorteil beim Besetzen der Reviere zu haben. Der Buchfink läuft zur Nahrungssuche meist am Boden, vor allem zur Brutzeit sucht er aber auch in Bäumen nach Insekten. Das Nest wird auf Bäumen in Astgabeln gebaut und typischerweise außen mit Moos und Flechten getarnt.
2. Rotkehlchen
In Großbritannien nennt man es auch „Freund des Gärtners“, da es dort weitaus häufiger in Gärten brütet als hierzulande. In Österreich bewohnt das Rotkehlchen hingegen eher geschlossene Wälder und kommt nur während des herbstlichen Durchzugs oder im Winter in die Gärten. Optisch ist es leicht an seiner orangen Brust und Kehle erkennbar. Es zeigt eine rundliche Gestalt, eine helle Unterseite und einen braunen Rücken. Der Schnabel ist wie für Insektenfresser typisch spitz. Es hat einen angenehmen, „perlenden“ Gesang.
3. Waldbaumläufer
Schnell, unauffällig und gut getarnt klettert der Waldbaumläufer an den Baumstämmen nach oben. Man findet ihn vor allem in Nadelwäldern, wobei sein Hauptvorkommen in der montanen Höhenstufe liegt. Nester werden hinter der Rinde alter Bäume, aber auch in Spalten auf Hochsitzen gebaut. Die Waldbaumläufer sind kleine Vögel mit silbrig-weißem Bauch und einer braunen, an Baumrinde erinnernden Oberseite. Der Schnabel ist dünn, gebogen und etwas kürzer als beim verwandten Gartenbaumläufer. Die Hinterzehe ist hingegen länger, eine Anpassung an die glatte Borke der Fichte.
4. Haubenmeise
Die Haubenmeise ist aufgrund ihrer „Haube“ einer der hübschesten und beliebtesten Gäste an der winterlichen Futterstelle. Sie lebt bei uns vor allem in Fichten- und Fichtenmischwäldern. Nur ausnahmsweise kommt sie auch in Gärten und Parks vor, wenn sie dort Nadelbaumgruppen vorfindet. Ihre Jungen zieht sie in Höhlen auf, die das Weibchen in morschem Holz oft selbst baut. Wenn sie keine geeigneten Stämme zum Höhlenbau findet, nimmt sie jedoch auch fertige Höhlen oder Nistkästen an.
5. Blaumeise
Mit ihrem spitzen Schnabel ist die kleine Blaumeise besonders geschickt bei der Nahrungssuche: Sie öffnet Pflanzengallen, holt Insekten aus Schilfhalmen und schält z. B. Sonnenblumenkerne, indem sie sie mit einem Fuß festhält und mit dem Schnabel „aufmeißelt“. Die Blaumeise, unverkennbar durch die gelbe Brust und die blauen Flügel, turnt auf der Suche nach Insekten häufig an kleinen Zweigen. Ihr Nest baut das Blaumeisenweibchen bevorzugt in Baumhöhlen, gerne werden auch Nistkästen angenommen. Um der konkurrenzstärkeren und größeren Kohlmeise auszuweichen, bezieht sie dabei Höhlen mit kleinem Einflugloch. Je nach Nahrungsangebot und Höhlengröße kann die Blaumeise bis zu 17 Eier legen – das ist Rekord unter den heimischen Singvögeln. Meist sind es zwischen sieben und 13, wobei zumeist eine Brut pro Jahr aufgezogen wird. Um so viele Junge durchzubringen, braucht es eine enorme Menge an Raupen und anderen kleinen Insekten.
6. Schwarzspecht
Fast so groß wie eine Krähe, besitzt er ein fast gänzlich schwarzes Gefieder, hat aber die typische Statur eines Spechts. Der Scheitel ist rot gefärbt, beim Männchen komplett, beim Weibchen nur der hintere Teil. Der Schwarzspecht beansprucht für die Anlage von Schlaf- und Nisthöhlen Bäume, deren Stämme eine glatte Rinde aufweisen und in vier bis zehn Metern Höhe noch mindestens 40 Zentimeter dick sind. Diesen Ansprüchen wird bei uns am ehesten die Buche gerecht. Typisch für Schwarzspechthöhlen ist ihr ovaler Eingang. Die Nahrung sucht der Schwarzspecht am Boden oder in Bodennähe, wo er vermodernde Baumstümpfe sowie liegendes und stehendes Totholz nach Gliederfüßern absucht. In toten Bäumen sind oft charakteristische Hackspuren zu sehen. Die Art beansprucht riesige Territorien – bis zu mehreren Quadratkilometern Waldfläche.
7. Waldkauz
Der „Vogel des Jahres 2017“ ist die häufigste Eulenart Österreichs, und mit 12.000 bis 20.000 Brutpaaren ist sein Bestand in Österreich als langfristig stabil einzuschätzen. Tagsüber versteckt sich der Waldkauz in dichtwüchsigen Gebüschen, Baumkronen oder in Höhlen, bis er in der Nacht auf Jagd geht. Dabei fliegt er praktisch lautlos, denn durch sein samtartiges Polster auf der Oberseite der Flügel und die kammartigen Zähnchen an den Kanten der Flügelfedern schwebt er elegant durch die Lüfte. Kurz nach Sonnenuntergang beginnt der Kauz mit der Nahrungssuche und hält dabei Ausschau nach Mäusen und anderen Beutetieren. Dabei verschlingt der Waldkauz die Beute mit Haut und Haaren; alles Unverdauliche (wie Federn, Knochen) wird in Form eines sogenannten „Gewölles“ wieder hervorgewürgt.
8. Haselhuhn
Das Haselhuhn lebt in deckungsreichen Mischwäldern mit viel Unterholz und gutem Beerenangebot. Es erreicht eine Länge von 35 bis 40 Zentimetern und ein Gewicht – je nach Geschlecht – von 310 bis 490 Gramm, wobei die Weibchen etwas leichter sind als die Männchen. Das Gefieder des Huhns ist auf der Oberseite grau bis rotbraun und auf der Unterseite braun- bzw. schwarzweiß gemustert. Die Kehle des Männchens ist schwarz, während die des Weibchens gebändert ist. Beide Geschlechter richten ihre Kopffedern bei Erregung auf. Das Haselhuhn ernährt sich hauptsächlich vegetarisch von Knospen, Blättern, Sämereien (Ackerkräuter) und fleischigen Früchten je nach Jahreszeit. Kleintiere wie Insekten und deren Larven bilden nur eine Ergänzung und werden während der Aufzuchtperiode im Juni und Juli von den Küken gefressen.
9. Sperber
Der Sperber ist ein kleiner, etwa taubengroßer Greifvogel und gilt mit seinen 30 bis 40 Zentimetern Größe als „kleiner Bruder“ des Habichts. Wie dieser besitzt er kurze, breite Flügel und einen im Verhältnis zum Körper langen Schwanz. Im Jugendkleid ist der Vogel oberseits von unscheinbarer brauner Farbe mit grob quergebänderter Brust. Erwachsene Vögel haben eine blaugraue Oberseite und eine feiner gebänderte Unterseite. Die Männchen lassen sich durch ihre rostbraunen Wangen und die rostbraune Brustbänderung gut erkennen. Während der rasanten Jagd vollführt der Sperber teilweise spektakuläre, sehr wendige Manöver. Er jagt von seiner Deckung aus oder fliegt suchend niedrig über dem Boden, gedeckt durch Hecken oder Baumreihen, um den Überraschungseffekt zu nutzen. In schnellen Verfolgungsjagden, die in Extremfällen sogar durch geöffnete Fenster führen können, erlegt der Vogel seine Beute. Teilweise verfolgt er sie sogar zu Fuß bis unter Büsche hinein.
10. Halsbandschnäpper
Der kleine Vogel mag große Laubbäume und startet von dort aus seinen Beuteflug auf Insekten. Seltener ist er am Boden auf Futtersuche unterwegs. Er nistet in Baumhöhlen und nimmt gerne auch Nistkästen an. Das Männchen ist anhand des breiten weißen Halsbandes und des weißen Bürzelflecks gut zu erkennen. Die strahlend weiße Unterseite steht im Kontrast zur schwarzen Oberseite. Das Weibchen ist unauffällig graubraun. Insekten, Larven, Spinnen und weitere kleine Wirbellose zählen zur Beute des Halsbandschnäppers. Als spät in Europa ankommende Art ist er auf besonders höhlenreiche Wälder angewiesen, wo nach seiner Rückkehr nicht schon alle Brutmöglichkeiten von Meisen & Co. besetzt sind. Es sind dies oft höhlenreiche Auwälder, Streuobstwiesen und Buchenwälder.
UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG
Autor für diesen Beitrag: U. Macher / Jagdfakten.at
Bildquellen für diesen Beitrag:
© Peter Friesser: Blaumeise, Buchfink;
© Birdlife Michael Dvorak: Haselhuhn, Schwarzspecht Männchen;
© Birdlife Alois Thaler: Haubenmeise;
© Birdlife Hans Martin Berg: Rotkehlchen;
© Michael Tiefenbach: Sperber;
© Pixabay: Halsbandschnäpper, Waldbaumläufer, Waldkauz
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