
Die Kastanie –
zwischen Dorfplatz, Weingarten und Jagdrevier
Kaum ein Baum verbindet Stadträume, Wälder und bäuerliche Traditionen so stark wie die Kastanie. Ein Portrait:
DIE KASTANIE
Allgemein:
Rosskastanie (Aesculus hippocastanum),
Esskastanie (Castanea sativa)
Familie:
Seifenbaumgewächse (Sapindaceae) bzw.
Buchengewächse (Fagaceae)
Wuchshöhe: 20 bis 35 m
Alter:
Rosskastanie bis 200 Jahre,
Esskastanie bis 500 Jahre
Blätter:
Rosskastanie fingerförmig 5- bis 7-teilig,
Esskastanie lanzettlich gezähnt
Blüte:
Rosskastanie im Mai mit aufrechten „Kerzen“,
Esskastanie Juni/Juli mit Kätzchen
Früchte:
Rosskastanie: glänzende, ungenießbare Samen,
Esskastanie: Maroni
Verbreitung in Österreich:
Rosskastanie in Parks und Alleen,
Esskastanie in Steiermark, Burgenland, Kärnten
Nutzung:
Maroni (Esskastanie), Holz, Park- und Alleebaum
Ökologische Rolle:
Insekten- und Nektarspender,
Früchte als Wildäsung
Jagdliche Bedeutung:
herbstliche Anziehung für Wild,
Deckungsbaum,
Verbiss an Rinde möglich
Wie sieht ein Kastanienbaum aus?
Ob als monumentale Rosskastanie auf Dorfplätzen und Schlossalleen oder als Esskastanie in der südsteirischen Hügellandschaft – die Kastanie prägt seit Jahrhunderten das Bild Österreichs. Mit ihren leuchtenden Blütenkerzen, den tiefgrünen Blättern und den glänzenden Früchten im Herbst ist sie gleichermaßen Zierde wie Lebensgrundlage: für Menschen, Tiere und die Jagdkultur.
Die Kastanie wächst in jungen Jahren zügig, entfaltet eine breite, schirmartige Krone und erreicht eine Höhe von 20 bis über 30 Meter. In Österreich besonders verbreitet sind zwei Arten:
- Die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) kann bis zu 200 Jahre alt werden,
- während die wärmeliebende Esskastanie (Castanea sativa) unter günstigen Bedingungen ein Alter von 500 Jahren überschreitet.
In beiden Fällen sind die Stämme kräftig, die Kronen ausladend, und besonders in Alleestraßen bilden sie majestätische Baumtunnel, die seit dem 18. Jahrhundert als repräsentatives Gestaltungselement gelten.
Blätter, Blüten und Früchte – eine Jahresuhr:
Kaum ein Baum markiert die Jahreszeiten so eindrucksvoll wie die Kastanie:
- Im Mai erstrahlen die Rosskastanien in voller Pracht, wenn ihre Blütenkerzen wie kleine Leuchter aufragen. Diese Blüten spenden reichlich Nektar und sind für Bienen und Hummeln unverzichtbar.
- Die Esskastanie zeigt sich indes etwas später: Ab Juni hängen lange Kätzchen von den Zweigen, die weniger dekorativ, dafür ökologisch umso bedeutsamer sind.
Im Herbst entfalten beide Arten ihren besonderen Reiz:
- Die Rosskastanie trägt ihre glänzenden, braunen Samen, die von Kindern gesammelt und von Wild als Nahrung genutzt werden.
- Die Esskastanie hingegen schenkt die begehrten Maroni, die geröstet auf Märkten oder als Mehl in Bauernküchen seit Jahrhunderten ein Grundnahrungsmittel darstellen. In manchen Regionen Österreichs galt sie gar als „Brotbaum“, der in Hungerzeiten überlebenswichtig war.
Wo kommt die Kastanie vor?
Standort und Verbreitung in Österreich
Die Rosskastanie kam im 16. Jahrhundert aus Kleinasien nach Mitteleuropa. Sie liebt frische, tiefgründige Böden und gedeiht bis in mittlere Höhenlagen. Noch heute prägt sie das typische Bild in Schlossparks, Klosteranlagen und entlang Landstraßen.
Die Esskastanie hat ein anderes Verbreitungsbild: Sie braucht Wärme und bevorzugt leichte, saure Böden. Vor allem in der Südsteiermark, im Burgenland und in Teilen Kärntens findet man Kastanienhaine, die teils seit dem Mittelalter kultiviert werden. Dort gehören sie zur Kulturlandschaft wie die Weinreben – und bilden jedes Jahr im Herbst den Mittelpunkt zahlreicher Maronifeste.
Wie wird die Kastanie genutzt?
Wirtschaftliche Bedeutung und Nutzung
In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Arten stark: Das Holz der Rosskastanie ist weich und wenig beständig, wird aber durchaus für Möbel, Spielzeug oder Brennholz genutzt. Ihr Haupteinsatzgebiet liegt aber woanders: als beliebter Schattenspender in Gärten, Parks und Alleen.
Die Esskastanie hingegen besitzt wertvolles, witterungsbeständiges Holz, das im Fassbau, in der Möbelproduktion und im Außenbau geschätzt wird. Noch bedeutender sind jedoch ihre Früchte: Maroni sind in Österreich ein kulinarisches Kulturgut. Ob geröstet, als Suppe, Püree oder in Süßspeisen – sie sind fester Bestandteil der Herbstküche.
Ökologische Rolle und
Bedeutung für die Jagd
Für die Jagd spielt die Kastanie eine wichtige Rolle, insbesondere die Früchte.
In früheren Hofjagdrevieren und Wildparks erkannte man sehr schnell den hohen Beliebtheitsgrad, den die herabfallenden Kastanien beim Damwild genießen. Die schnellwüchsigen Bäume tragen bereits ab einem Alter von etwa 15 Jahren Früchte und liefern dementsprechend verlässlich jährliche Masten. Gerade Damwild ist im Herbst oft dabei zu beobachten, wie es regelrecht unter den Bäumen wartet, bis die braunen Früchte fallen – allerdings nach wie vor vorwiegend in Wildparks, denn in freier Wildbahn ist das Damwild in Österreich kaum vertreten.
Reh- und Muffelwild hingegen ist mit den großen Früchten in ihrer ursprünglichen Form überfordert. Gehäckselt und siliert nehmen beide Wildarten die Kastanien jedoch sehr gern an. Lediglich Schwarzwild zeigt an Rosskastanien keinerlei Interesse – ein bemerkenswerter Unterschied, da es bei anderen Waldfrüchten wie Eicheln oder Bucheckern oft die Hauptnutzerrolle übernimmt.
Aus ernährungsphysiologischer Sicht haben Kastanienfrüchte einen ähnlichen Nährwert wie Kartoffeln oder Weizen. Der Gehalt an Stärke und Proteinen ist vergleichbar, allerdings liegt der Zuckeranteil deutlich höher. Diese Kombination aus Kohlenhydraten und geringem Wassergehalt macht sie energiereich, aber auch leicht verderblich. Ohne Konservierung trocknen sie schnell aus oder werden von Schimmelpilzen und Insekten befallen. Daher sollten sie dem Wild entweder rasch angeboten oder in geeigneter Form haltbar gemacht werden.
Darüber hinaus tragen Kastanien mit ihren dichten Kronen zur Strukturvielfalt im Wald bei, schaffen Deckung und Schattenplätze und fördern durch ihre Blüten eine reiche Insektenfauna. Für die Jagd sind sie damit nicht nur als Nahrungs-, sondern auch als Strukturbäume von Bedeutung.
Klimaresistenz & Gefahren
Die Zukunft der Kastanie ist ambivalent. Während die wärmeliebende Esskastanie vom Klimawandel profitieren könnte, leidet die Rosskastanie stark unter Schädlingen und Krankheiten. Besonders die Miniermotte (Cameraria ohridella) sorgt dafür, dass ihre Blätter oft schon im Hochsommer braun und vertrocknet wirken. Hinzu kommen Pilzerkrankungen, die die Vitalität der Bäume schwächen.
Die Esskastanie wiederum ist durch den Kastanienrindenkrebs bedroht – ein Pilz, der 1938 aus Amerika über Genua auch zu uns kam und in vielen europäischen Ländern schon massive Schäden angerichtet hat. Dennoch gilt die Esskastanie als Hoffnungsträgerin in wärmer werdenden Regionen Österreichs, da sie Trockenheit vergleichsweise gut verkraftet.
Historisches und kulturelles Wissen
Die Kastanie ist tief in Kultur und Volksglauben verwurzelt. In Bauernhöfen wurden Rosskastanien häufig als Hausbaum gepflanzt – sie galten als Schutzbaum, der Hof und Familie bewahrte. Unter ihrem Schatten fanden Märkte, Feste und Zusammenkünfte statt. Noch heute sind Biergärten ohne Kastanien kaum denkbar; eine Tradition, die aus Bayern über die Alpen wanderte.
Die Esskastanie wiederum war im Alpenraum jahrhundertelang ein Überlebensbaum. In der Südsteiermark oder im italienisch geprägten Süden Kärntens sicherte sie die Grundversorgung, lange bevor Mais oder Kartoffeln Einzug hielten. Maroni wurden geröstet, getrocknet, zu Mehl verarbeitet und bildeten das „Brot der Armen“. Heute erlebt die Esskastanie eine Renaissance – nicht nur in der Küche, sondern auch in der Forstwirtschaft als klimafitte Baumart.
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Bildquellen für diesen Beitrag: © Pixabay | © Unsplash
Autor für diesen Beitrag: U. Macher / Jagdfakten.at
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