Invasive Arten: Wie werden sie gelistet?
Sie sind eine Gefährdung für das ökologische Gleichgewicht und kommen deswegen seit 2015 auf eine EU-weite Liste:
die sogenannten gebietsfremden invasiven Arten. Warum aber gilt beispielsweise das aus Asien eingewanderte Sikawild weiterhin als harmlos, der Amerikanische Mink hingegen nicht? Wir haben nachgefragt.
INVASIVE ARTEN
Unser Verständnis von dem, was wir gemeinhin Natur nennen, hat sich in den vergangenen Jahren erstaunlich stark verändert: Galt sie noch vor der Jahrtausendwende als erhaben und unverwüstlich, als inspirierender Quell unerschöpflicher Kraft, sieht der Mensch in ihr heute verstärkt ein Ökosystem, das schwächelt. Eines, das immer stärker aus dem Gleichgewicht gerät – und das verletzlicher ist, als viele von uns es sich lange eingestehen wollten.
Grund dafür ist bekanntlich die Klimakrise mit all ihren Dominoeffekten. Doch Erderhitzung allein ist bei Weitem nicht das einzige Phänomen, das dem Gleichgewicht unserer Ökosysteme zusetzt. Auch die Thematik rund um die sogenannten „gebietsfremden invasiven Arten“ setzt unserer Umwelt zu – und scheint in der medialen Berichterstattung weiterhin unterzugehen. Obwohl in Europa – und damit auch in Österreich – gerade diesbezüglich intensiver denn je daran gearbeitet wird, das Schlimmste zu verhindern. Was heißt das genau?
Was ist die
Unionsliste?
Zunächst einmal: Unter „gebietsfremden invasiven Arten“ versteht man Pflanzen, Tiere oder andere Organismen, die ursprünglich nicht in einem bestimmten Gebiet heimisch sind, dort jedoch – ob beabsichtigt oder nicht – eingeführt wurden und sich stark ausbreiten.
„Sie verdrängen oft einheimische Arten, schädigen die lokale Biodiversität und können erhebliche ökologische und wirtschaftliche Schäden verursachen“, sagt Claudia Bieber, Leiterin des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie in Wien. „Das Bewusstsein über die Gefahren dieser invasiven Arten führte dazu, dass die EU im Jahr 2015 die sogenannte ‚Unionsliste‘ aufstellte“, erklärt Bieber. „Auf dieser Liste werden jene gebietsfremde invasive Arten aufgezählt, die so schnell wie möglich von den Mitgliedsstaaten, auf deren Gebiet sie sich befinden, eliminiert oder zumindest reduziert werden müssen.“
Das heißt: Entweder müssen die einzelnen Mitgliedsstaaten versuchen, diese Art noch in der Einwanderungsphase auszulöschen, „oder es muss ein Management in Zusammenarbeit mit der regionalen Jägerschaft entwickelt werden, sofern die Art unwiderruflich etabliert ist, um ökologische und ökonomische Schäden zu verhindern“.
Wie viele Arten befinden sich auf der Unionsliste?
Wie penibel die EU diese Unionsliste jedenfalls führt, zeigen die vergangenen acht Jahre: „2016 wurde die erste offizielle Liste ausgegeben, auf ihr waren 37 Arten gelistet. Im Jahr darauf wurde sie schon um zwölf Arten erweitert, im Jahr 2019 um 17 Arten und seit dem Jahr 2022 sind wir schon bei 88 Arten.“
So akribisch die EU in Zusammenarbeit mit den einzelnen Mitgliedsländern auch daran arbeitet, mithilfe dieser Liste der Invasion gebietsfremder Arten zuvorzukommen, wirft sie auch Fragen auf. Eine davon: Warum gilt beispielsweise das Sikawild, das ursprünglich aus Asien stammt und sich in Europa stark ausbreitet, als harmlos, während der sogenannte Amerikanische Mink, der Bodenbrüter und Kleintiere massiv dezimiert, bereits auf der sogenannten Watchlist ist – also jener Liste, die gewissermaßen als Vorstufe zur Unionsliste gilt?
Wie gefährlich ist Sikawild?
Bieber erklärt: „Die Assessments der EU sind wahnsinnig aufwendig und genau – und vor allem auch öffentlich einzusehen.
Allein der letzte Report aus dem Jahr 2021 behandelt das Sikawild auf über 60 Seiten“, so Bieber. Und kommt zum Schluss, dass die Art – zumindest momentan – noch kein hohes Risiko für die Biodiversität in Europa darstellt. Zwar können Sikawild und Rotwild hybridisieren, heißt: Die genetische Reinheit des heimischen Rotwilds wird damit beeinträchtigt. Doch laut Experten und Expertinnen sind solche Effekte regional begrenzt und nicht flächendeckend problematisch. Sikawild verursache außerdem weniger Schäden an Vegetation und konkurrenziere mit heimischen Arten nur minimal.
Wie gefährlich ist der
Amerikanische Mink?
Der Amerikanische Mink hingegen wurde auf die EU-Watchlist gesetzt, weil er offenbar sehr wohl ein Risiko für die Biodiversität darstellt. Andererseits: Die Kriterien für die Unionsliste erfüllt er damit noch nicht. Als eingeführte Art verbreitet er sich durch aggressive Jagd auf Vögel und Kleintiere und konkurriert damit auch mit heimischen Arten wie dem Fischotter. Er schädige, so der Report, gefährdete Populationen, vor allem in Gewässernähe, aber: Seine Effekte seien eben doch noch regional begrenzt. Dennoch: Dass er auf der Watchlist ist, ermöglicht eine genauere Überwachung seiner Verbreitung. Maßnahmen zur vollen Eindämmung wurden bisher aber als weniger dringlich eingestuft.
Invasive Arten: Amerikanischer Mink
Invasive Arten: Sikawild
Was hat der Klimawandel mit den
gebietsfremden invasiven Arten zu tun?
Wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, kann sich die Liste aber jederzeit ändern.
„Vor allem wird auch hier der Klimawandel als Parameter immer wichtiger“, sagt Bieber. „Es wird immer intensiver daran geforscht, was der Klimawandel in jedem einzelnen Land für wärmeliebende Arten bedeuten könnten. Also für solche, die heute zwar noch nicht da sind – aber in Zukunft sehr wohl auch auf österreichischem Boden heimisch werden könnten, wie etwa der Axishirsch, der momentan eher noch in Kroatien und anderen südlicheren Ländern zu finden ist. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Ländern und der heimischen Jägerschaft wird also immer wichtiger werden, damit das natürliche Gleichgewicht weiterhin erhalten bleibt.“
UNSERE
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Bildquellen für diesen Beitrag: © Pixabay
Autor für diesen Beitrag: L. Palm / Jagdfakten.at
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