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Schüsseltrieb: Was hat es damit auf sich?

Nach der Jagd geht es mancherorts auch heute noch zum Schüsseltrieb ins Gasthaus.
Aber was heißt das genau – und wie läuft so ein Schüsseltrieb heute ab? Wir klären auf.

SCHÜSSELTREIBEN

Eine Jagd kann ganz schön anstrengend sein. Sie verlangt Jägerinnen und Jägern höchste Konzentration ab – und kann auch körperlich sehr fordernd sein. Fast ist man versucht zu sagen: Gäbe es den Schüsseltrieb nicht, man müsste ihn glatt erfinden. Das Zusammensitzen nach der Jagd beim Wirt des Vertrauens versorgt Jägerinnen und Jäger nicht nur mit stärkendem Essen, sondern fördert auch den Austausch und das ritualisierte Beisammensein. Wobei sich die Rituale und Schwerpunkte eines Schüsseltriebs heute durchaus von dem vor hundert oder zweihundert Jahren unterscheiden. Was genau passiert heute beim Schüsseltrieb? Was sind die Wurzeln dieses Brauches? Und worin liegt seine Bedeutung?

Woher kommt das Ritual
des Schüsseltreibens?

Der Begriff des „Schüsseltreibens“ geht auf einen alten Brauch zurück: des Treibens von Schüsseln, oder wie man heute sagen würde: des Zerschlagens von Geschirr. Damit war vor mehreren Jahrhunderten der Glaube verbunden, dass das laute Klirren böse Geister vertreibe – und damit die Feiernden schützt und reinigt. Der Schüsseltrieb als symbolisches Fest des Neuanfangs war früher übrigens nicht nur der jagenden Zunft vorbehalten, sondern wurde auch für frisch vermählte Brautpaare veranstaltet.

Im Laufe der Jahrhunderte nahm es für Jägerinnen und Jäger unterschiedliche Formen an: So wurde – und wird mancherorts immer noch, wenn auch selten – im Zuge des Schüsseltriebs das Jagdgericht einberufen. Dabei wurden Jäger, Treiber oder Hundeführer für besonders vorbildliches Verhalten während der Jagd geehrt– aber auch getadelt, wenn sie gegen jagdliches Brauchtum verstoßen hatten. Außerdem wurden im Zuge des Schüsseltriebs auch die Jungjäger offiziell in den Kreis der örtlichen Jägerschaft aufgenommen. Für all das gab und gibt es heute noch je nach Region besondere Rituale. Doch der Aspekt des ungezwungenen Zusammensitzens ist im Schüsseltrieb, wie er heute praktiziert wird, wichtiger denn je.

Wie beginnt ein Schüsseltrieb?

 

„Das Zerschlagen von Geschirr ist in Österreich schon länger nicht mehr üblich, zumindest bei uns in der Region nicht“, so Gerhard Jölli.

Der passionierte Jäger ist Küchenchef und Hausherr des Bartholomäer Kirchenwirts im weststeirischen Sankt Bartholomä – und veranstaltet als einer der wenigen noch regelmäßig Schüsseltriebe. Diese finden übrigens nicht – wie oft zu lesen – nach den immer seltener stattfindenden Treib- oder Drückjagden statt, sondern auch nach Ansitzjagden. „Generell ist es so, dass nach der Streckenlegung zum Schüsseltrieb geblasen wird“, erklärt Jölli. „Die Jäger begeben sich dann ins Gasthaus – wobei manche den Schüsseltrieb auch direkt in der Jagdhütte machen.“

Doch bleiben wir bei der Gasthausvariante. Wie läuft so ein Schüsseltrieb im Bartholomäer Kirchenwirt ab?

Ohne Waffen – aber mit Jagdhorn und Appetit 

Das Gasthaus betreten die Jäger ohne Waffen, die werden davor sicher verstaut. „Was einige aber sehr wohl mitnehmen, ist ihr Jagdhorn. Während des Schüsseltriebs wird dann das ‚Signal tot‘ für jedes Wild gespielt, also beispielsweise ‚Hirsch tot‘ oder ‚Sau tot‘. Im Anschluss dann manchmal auch andere Stücke. Außerdem werden auch oft alte Jägerlieder gesungen“, erklärt Jölli.

Was das Essen betrifft, geht es nicht sonderlich streng geregelt zu. „Da kann vom Gulasch bis zum Backhendl alles dabei sein“, so Jölli. „Wobei die Jäger oft nach dem Aufbrechen beispielsweise eines Hirsches die Leber direkt ins Gasthaus mitnehmen. Innereien sollten ja so frisch wie möglich verzehrt werden, die brate ich dann gerne an und serviere sie. Das restliche Wildbret muss im Gegensatz zu Innereien ja reifen, es beim Schüsseltrieb zuzubereiten, wäre viel zu früh.“

Von Enten und Fasanen

Eine Ausnahme ist der Schüsseltrieb nach der Fasanenjagd. „Im Herbst bringt mir eine Gruppe von rund 30 Jägern direkt nach der Jagd die Fasane, aus denen ich dann ein mehrgängiges Menü mache“, erzählt der versierte Wildbretkoch. „Das braucht seine Zeit, deswegen findet dieser Schüsseltrieb dann meist etwa eine Woche nach der Jagd statt. Aber es lohnt sich!“ Wie sehr die Schüsseltriebfeierlichkeiten vom erlegten Wild abhängen, zeigt auch das Beispiel der Ente: „Hier beginnt der Schüsseltrieb oft schon am Vormittag, da die Entenjagd ja immer frühmorgens stattfindet.“

Gut möglich, dass so ein Schüsseltreiben auch bis in den Nachmittag oder gar Abend hineindauert. Ein gutes Gulasch, ein Bier – oder doch lieber eine Brettljaus’n? Ganz gleich: Es geht um das ungezwungene Beisammensein unter Jägerinnen und Jägern. Die Kultur des Schüsseltriebs zeigt: Die Jagd ist eben auch ein soziales Ereignis. Eines, das hoffentlich weiterhin von so engagierten Jägern und Wirten wie Gerard Jölli gepflegt und gefördert wird.

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Bildquellen für diesen Beitrag: © Ales Maxa | © Jagdfakten.at
Autor für diesen Beitrag: L. Palm / Jagdfakten.at

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