Kennen Sie das: Sie setzen sich unabsichtlich auf eine Brille, ihr Kind schießt mit einem Ball eine Fensterscheibe ein und dann folgt der Satz „keine Sorge“, ich bin versichert. In der Tat deckt eine private Haftpflichtversicherung das Gros dieser und ähnlich gelagerter Fälle ab. Wann ihre Versicherung nun aber wirklich „greift“ bzw. was vielleicht sogar von der Haftpflicht ausgenommen ist, darüber hat jagdfakten.at mit Martin Köhler, Versicherungsexperte der UNIQA gesprochen.

PRIVATE
HAFTPFLICHTVERSICHERUNG

In unserem UNIQA Experteninterview lesen Sie:

  • Wofür wir haften
  • Welche Schäden eine Privathaftpflichtversicherung deckt
  • Wie viele Menschen in Österreich haftpflichtversichert sind
  • Welchen Personenkreis eine übliche Haushaltsversicherung umfasst
  • Wann mich meine Versicherung auch vor Gericht vertritt
  • Was man unter Gefahren des täglichen Lebens versteht
  • Warum man eigentlich nicht auf einen Hochstand klettern darf
  • Warum man trotzdem versichert sein kann, wenn man auf einen Hochstand klettert
  • Warum Jäger, auch Hobbyjäger, nicht unter die Privathaftpflicht fallen

jagdfakten.at:
Herr Köhler, Lassen Sie uns zu Beginn das Thema private Haftpflichtversicherung einmal „trocken“ angehen, damit wir wissen, wovon wir überhaupt reden. Wofür hafte ich eigentlich?

Martin Köhler:
Das ist im ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) klar geregelt. Darin steht, man haftet „für Schäden, die man Dritten „schuldhaft“ zufügt“. Das bedeutet das Setzen oder Unterlassen von Handlungen, die zu einem Schaden führen. Dieses Setzen oder Unterlassen von Handlungen kann fahrlässig oder vorsätzlich erfolgen. 

jagdfakten.at:
Und dagegen kann ich mich versichern lassen? Das klingt nach einem Persilschein.

Martin Köhler:
Nein, das ist es definitiv nicht und das gleich aus mehreren Gründen. Erstens, weil eine Versicherung nicht unbegrenzt zahlt und zweitens, weil zuerst immer die Schuldfrage zu klären ist. Das heißt: Sollte jemand mit Vorsatz handeln – also zum Beispiel eine Sache absichtlich zerstören oder jemandem absichtlich eine Verletzung zufügen – dann zahlt die Versicherung nicht, das ist dezidiert ein Ausschlussgrund. Bei Fahrlässigkeit sieht das zumeist anders aus.

jagdfakten.at:
Wer hat denn in Österreich eigentlich eine Haftpflichtversicherung? Von wieviel Prozent reden wir da überhaupt?

Martin Köhler:
In Österreich sind weit über 90 Prozent der Menschen haftpflichtversichert, weil die Haftpflichtversicherung in den meisten Fällen Teil einer Haushaltsversicherung ist. Dieser Grad an Versicherungsdichte ist sehr erfreulich.

jagdfakten.at:
Welche Personengruppe umfasst eine normale Haushaltversicherung? Oder anders gefragt: sind meine Kinder automatisch mit mir haftpflichtversichert, oder muss ich das extra melden, beantragen?

Martin Köhler:
Bei einer Haushaltsversicherung gehören in vielen Fällen die im gemeinsamen Haushalt lebenden Menschen zum versicherten Personenkreis. Das umfasst Kinder genauso wie Lebenspartnerinnen und -partner, eingetragene Partner, manchmal auch Eltern und Großeltern.

jagdfakten.at:
Kommen wir zu einem konkreten Beispiel: Ich gehe Schwammerl suchen und bekoche danach meine Freunde. Leider war ein giftiger Pilz dabei und nun liegen gleich mehrere Menschen mit einer Vergiftung im Spital. Greift da die Haftpflichtversicherung?

Martin Köhler:
Rasche Antwort, ja. Trotzdem möchte ich hier weiter ausholen, um die Arbeit und die Leistungen einer Versicherung genauer zu erklären. Bei Ihrem Fall stellt sich zuerst die Frage ob überhaupt irgendwer einen Schadenersatzanspruch geltend macht – sprich Geld sehen will – z.B. wegen eines Verdienstentgangs aufgrund eines Spitalsaufenthalts. Nur wenn das gegeben ist, kommt eine Leistung aus der Haftpflichtversicherung überhaupt erst ins Spiel.

Sollte also ein Schadensersatzanspruch gestellt werden, dann passiert von unserer Seite folgendes:

1. Wir prüfen, ob Sie die Schwammerl privat und nicht erwerbsmäßig gebrockt haben. Nur dann kommt die Privathaftpflichtversicherung ins Spiel. Sollten die Schwammerl erwerbsmäßig gepflückt worden sein, dann braucht es eine Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung.

2. Dann prüft die Versicherung, ob der Schadenersatzanspruch zu Recht gestellt wurde. Das heißt ob laut Gesetz überhaupt ein Anspruch besteht. Ist das der Fall und besteht auch Deckung aus dem Versicherungsvertrag (Verschuldensfrage), dann zahlt die Versicherung. Wurde die Schadensersatzforderung zu Unrecht gestellt, dann übernimmt die Versicherung die Kosten für die juristische Vertretung ihrer Kunden.

jagdfakten.at:
Da müssen wir jetzt nachhaken, um das besser verstehen zu können. Können Sie uns etwas genauer erklären welche Schäden gedeckt sind – Vorsatz ausgenommen wie wir bereits wissen?

Martin Köhler:
Das Gesetz ist hier eigentlich klar und lässt doch Spielraum zur Interpretation. Denn es heißt:

  • Eine Privathaftpflicht deckt Schadensersatzansprüche für „Gefahren des täglichen Lebens“.

Darunter versteht man Dinge, die jeder Österreicherin bzw. jedem Österreicher im täglichen Leben passieren können. Und dazu zählen eben auch Lebensmittelvergiftungen. Im Zweifelsfall klären das die Gerichte (bis hin zum OGH – Oberster Gerichtshof). Wichtig ist bei der Privathaftpflicht, dass der Schaden im Privatleben passiert.

jagdfakten.at:
Können Sie uns hier zum besseren Verständnis noch ein paar Beispiele nennen?

Martin Köhler:
Nehmen wir einen Bergführer: wenn er Sie gegen Entgelt führt, braucht er eine Berufshaftpflichtversicherung. Führt er Sie hingegen privat und unentgeltlich – weil er ein Freund von Ihnen ist – auf den Berg und es passiert was, dann greift die Privathaftpflicht, weil es eine Gefahr des täglichen Lebens ist. Wir sprechen in diesem Fall von „Führen aus Gefälligkeit“.

Ein anderes Beispiel, das vielleicht für Verwunderung sorgt, ist Folgendes: Sie fahren mit Ihrem privaten Rennmotorrad privat am Hungaroring bei einem freien Training und verursachen dort einen Unfall, bei dem Dritte zu Schaden kommen. Es kommt zu erheblichen Spitalskosten und zu Reha-Kosten. Trotzdem greift hier die Privathaftpflicht, weil es sich auch hier laut OGH um eine Gefahr des täglichen Lebens handeln könnte.

Zu Unrecht gestellter
Schadensersatzanspruch

jagdfakten.at:
Sie haben zuvor erwähnt, dass eine Versicherung im Falle eines zu Unrecht gestellten Schadensersatzanspruches auch die juristische Vertretung ihrer Kunden übernimmt. Ich muss gestehen, das war mir jetzt nicht so bewusst.

Martin Köhler:
Ich kann Sie beruhigen, da sind Sie nicht allein. Ja, das ist eine ganz normale Tätigkeit für Versicherer. Im Versicherungsdeutsch reden wir bei den Aufgaben von der Befriedigung gerechtfertigter Ansprüche und von der Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche. Im zweiten Fall ist eben die juristische Vertretung gemeint. Dabei geht es zum Beispiel auch darum, ob eine geschädigte Person eine Gefahr erkennen hätte müssen und daher nicht in jedem Fall der Schädiger „zum Handkuss kommt“.

Ein einfaches Beispiel – wir bleiben bei den Schwammerln:

Sie brocken Eierschwammerl und irrtümlich erwischen Sie auch einen Fliegenpilz. Sie geben den Sack mit den Schwammerln einem Freund, der die Schwammerl verkocht und eine Vergiftung erleidet.

In diesem Fall kann man sicherlich trefflich diskutieren, ob die konkrete Person den Unterschied zwischen einem Eierschwammerl und einem giftigen Fliegenpilz hätte erkennen können oder nicht. Falls ja, dann wäre es unsere Aufgabe den Schadensersatzanspruch von Ihnen abzuwenden. Es kann aber auch zu einer Schadensteilung kommen. Ein typischer Fall für Juristen eben.

Haftpflicht im Wald

jagdfakten.at:
Bleiben wir bei praktischen Beispielen und Vorkommnissen in der Natur. Wie sieht es aus, wenn ich mit meinem Kind auf einen Hochstand steige und dabei etwas kaputt geht. Zahlt dann meine Versicherung?

Martin Köhler:
Hier muss erwähnt werden, dass das Besteigen eines Hochstandes für Dritte prinzipiell nicht gestattet ist. Das wissen viele aber nicht. Und mal ganz ehrlich, das machen Viele, weil unsere Kinder neugierig sind und weil es spannend ist. Ich unterstelle Ihnen jetzt einmal, dass Sie oder Ihr Kind den Hochstand nicht vorsätzlich kaputt machen. In diesem Fall wird eine Versicherung wohl zahlen. Anders kann das aussehen, wenn es klar erkennbare Warnhinweise oder Verbotstafeln oder Absperrungen gäbe. Wenn Sie dann trotzdem hinaufklettern und etwas kaputt machen, sehe ich die Chance als geringer an, dass eine Versicherung zahlt.

jagdfakten.at:
Drehen wir den Spieß einmal um: Ich bin Jäger, jemand steigt auf meinen Hochstand, eine Sprosse bricht und die Person verletzt sich. Was ist dann?

Martin Köhler:
Das ist in der Regel kein Fall für eine Privathaftpflichtversicherung.

Hierfür braucht es eine Jagdhaftpflichtversicherung. Und auch hier ist es ähnlich wie bei der Privathaftpflicht und der Haushaltsversicherung: Wer eine Jagdkarte eines Landesjagdverbandes hat, ist dadurch in der Regel in Österreich auch jagdhaftpflichtversichert. Wer sicher gehen will, sollte aber bei seinem Landesverband vorsichtshalber nachfragen.

Gehört der Hochstand allerdings einem Berufsförster oder -jäger, dann braucht es die zuvor bereits erwähnte Berufshaftpflichtversicherung.

 

jagdfakten.at:
Abschließend noch einmal zu dem Personenkreis, der in der Haushaltsversicherung inkludiert ist: Bis zu welchem Alter sind meine Kinder automatisch mitversichert?

Martin Köhler:
Das kann man nicht verallgemeinernd sagen. Prinzipiell gilt „in einem gemeinsamen Haushalt lebend“. Unklar wird es aber zum Beispiel, wenn ein Kind bereits studiert und ein Auslandssemester macht, oder falls Ihr Kind geringfügig beschäftigt ist, um zum Beispiel das Studium zu finanzieren. Hier würde ich meine Versicherung kontaktieren, um das zu klären, da kann es durchaus Unterschiede bei den Versicherern geben. Falls die Haushaltsversicherung nicht greift, dann empfiehlt sich in diesen Fällen, eine eigene Privathaftpflichtversicherung abzuschließen.

jagdfakten.at:
Und wie ist es mit Menschen, die in einem Altersheim leben: Wie sind die haftpflichtversichert?

Martin Köhler:
Hier ist die Frage, ob diese Menschen noch eine eigene Wohnung haben. Falls ja, sind sie in der Regel immer noch über ihre Haushaltsversicherung auch haftpflichtversichert. Ist man bereits im Alters- oder Pflegeheim gemeldet, dann ist man zumeist über den Betreiber mitversichert. In seltenen Fällen ist eine eigene Privathaftpflichtversicherung durch die Familie abzuschließen. Daher empfiehlt sich auch hier, bei der Versicherung nachzufragen, um auf Nummer sicher zu gehen.

jagdfakten.at:
Herr Köhler, danke für das Interview.

UNSERE
LESE-EMPFEHLUNG

Bildquellen für diesen Beitrag: Jagdfakten.at/L. Molter

DIESEN
BEITRAG TEILEN